Schuld sind immer die anderen…

Ein Briefwechsel mit meinem Coache

Meine Antwort: „Lieber Herr Weber, wie kann ich Sie hier unterstützen?“

Herr Weber: „Danke für Ihr Angebot, aber Sie können mich hier wohl nicht unterstützen. Mit besten Grüßen, Ihr R. Weber.“

Meine Antwort: „Ok. Möglicherweise hilft es Ihnen, wenn Sie das Thema ‚Land unter‘ explizit ansprechen, z. B. mit Hilfe des Ihnen bekannten 4-Quadrantemodells. Führen nach oben heißt das Zauberwort. Beste Grüße, Dorette Segschneider.“

Herr Weber: „Ich weiß und habe auch schon Gespräche geführt und denke auch nicht, dass es am Verständnis liegt. Aber ich versuche es wieder. :) Viele Grüße, Ihr RW.“

 

Dorette Segschneider: „Gespräche sind das eine – Verantwortung übernehmen für das, was geschieht – im Englischen nennt man das ‚accountability‘ – das andere. Wie gelingt es Ihnen, ‚accountable’ zu sein? Hier ein kleiner Impuls für Fragen, die Sie dabei unterstützen:

  • Mit welchem Thema gehen Sie in das Gespräch?
  • Welche Lösungsoptionen können Sie sich vorstellen?
  • Welche Lösungsoptionen sprechen Sie an?
  • Was ist das Minimal-Ziel, das Sie erreichen wollen?
  • Wie schaffen Sie Verbindlichkeit im Gespräch?
  • Wo ist das ‚bottle-neck‘? Was brauchen Sie von Ihrem Gegenüber für die Lösung?
  • Was ist das verbindliche Gesprächsergebnis und inwieweit zahlt es auf Ihre Lösung ein?
  • Mit welchen Fragen/mit welcher konkreten Vorbereitung gehen Sie in die Gespräche?
  • Wie genau sieht Ihre Vorbereitung aus?
  • Wie stellen Sie sicher, dass Gesprächsergebnisse auch umgesetzt werden?
  • Was ist der erste kleine Schritt, der die Situation für Sie verbessern würde?
  • Noch eine Frage: Sie schreiben: ‚denke auch nicht, dass es am Verständnis liegt.‘ Woran liegt es dann?“

Herr Weber: „Danke für die Impulse. Diese betrachtend kann und sollte ich tatsächlich wohl konkreter werden und die Gespräche entsprechend vorbereiten und Verantwortung für die Ergebnisse übernehmen bzw. sie nachverfolgen. Das habe ich bislang nicht getan.“

 

Die Musterlösung

Dieses Muster beobachte ich immer wieder – v.a. im Topmanagement. Accountability – also Verantwortung übernehmen für das eigene Handeln – steht in vielen Leadership-Leitfäden. In der Praxis findet sie nur selten Anwendung. Ich frage meine Coachees: „Hey, was von den Leadership-Techniken, die Sie kennen, leben Sie? Was genau haben Sie dazu beigetragen, damit es für das Problem – in diesem Fall ‚Land unter‘ – eine Lösung gibt?“ Das Spannende: Die meisten Führungskräfte nehmen nicht mal wahr, wenn Sie keine Verantwortung für schwierige Situationen übernehmen. Im Gegenteil. Sie sind, so wie auch mein Coachee Herr Weber, zutiefst davon überzeugt, dass sie richtig handeln. Seine Antwort: ‚Ich weiß… ich habe auch schon Gespräche geführt…‘ zeigt deutlich, dass Herr Weber nicht weiß, was er ändern soll. In seiner Welt setzt er schon alles um – es funktioniert nur ‚leider‘ nicht. Das ist der Alltag.

 

3 Schritte zur Verantwortung

Im nachfolgenden Coaching analysieren wir gemeinsam, wo in der ‚Development-Pipeline‘ sein ‚Bottle-neck‘ ist. Die Antwort war schnell gefunden: Im fehlt ‚Insight‘. Herr Weber wusste schlichtweg nicht, was er ändern könnte bzw. es war ihm gar nicht bewusst, dass er noch etwas besser machen konnte. In seiner Welt macht ER bereits alles ‚richtig‘. Sein ‚Fehler‘ war ihm nicht bewusst. Im ersten Schritt ging es also darum, Selbstwahrnehmung zu trainieren – das eigene Verhalten zu beobachten. Dazu entwickelte er im Coaching ein ‚Mental-Modell‘, das es ihm ermöglicht in Krisensituationen, ‚Insight‘ zu generieren.

 

Hier ist das Ergebnis – sein persönliches 3-Schritte-Modell:

  1. Wo genau ist das Problem? = Beobachten & analysieren meiner Handlungen/Vorgehensweise
  2. Was wäre der erste Schritt hin zu einer Lösung? Formulieren eines Minimalziels/ersten Schritt
  3. Wie setze ich es verbindlich um? Klare Strategie zur Umsetzung und Nachverfolgen der geplanten Handlungen

Es war toll zu sehen, wie fasziniert Herr Weber war, als er seine eingefahrenen Muster aufgedeckt hatte und begann Verantwortung zu übernehmen für die Situation. Kleine und nachhaltige Lösungsschritte waren der Gamechanger.

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