Wie man als Führungskraft das Ruder nach einem Debakel zurückgewinnt
Henrik war nicht nur enttäuscht, er war verärgert – insbesondere über die mangelnde Bereitschaft seines Teams, Verantwortung zu übernehmen. Dies wurde umso schlimmer, da eine der Mitarbeiterinnen sogar versuchte, die Wahrheit zu verdrehen.
In unserer Coachingsitzung stand eine zentrale Frage im Mittelpunkt: Wie kann Henrik sein Team so führen, dass sie nicht nur aus diesem Fiasko herauskommen, sondern am Ende gestärkt daraus hervorgehen?
Der Einstieg
Schritt 1: Reflexion über das Ereignis
In einem intensiven Dialog teilte Henrik mit mir die Umstände, die zu dem Fehler und der Klage führten.
Schritt 2: Erste Gedanken
Henrik skizzierte seine ersten Gedanken und warum er dachte, dass das Team so handelte, wie es handelte. Seine Erklärung: Im Team gibt es grundsätzlich einen fehlenden „sense of urgency“, mangelnde Priorisierung und ein Mangel an Ownership.
Schritt 3: Die „Warum-Technik“
Hierbei sind wir mit der „5 Warum“-Methode tiefer in die Ursachen des Problems eingetaucht. Die Idee ist, fünfmal die Frage „Warum?" zu stellen, um zur Wurzel des Problems zu gelangen.
Zum Beispiel:
„Warum hat das Team die Konsequenzen nicht gezogen?“ – „Weil sie unter Zeitdruck standen.“
„Warum standen sie unter Zeitdruck?“ – „Weil der Projektablaufplan zu eng war.“ ... und so weiter.
Eine weitere wichtige Warum-Frage war: „Warum übernahm sein Direktor nicht die Verantwortung?“
Das Eintauchen in diese Fragen enthüllte mögliche Antworten:
- Fehlendes Verantwortungsbewusstsein.
- Mangelnde Empathie, um die Tragweite des Fehlers für das Unternehmen rechtzeitig zu erkennen.
- Ein tief verwurzeltes Gefühl von Scham, das oft mit einem Gefühl der Wertlosigkeit oder einem negativen Selbstbild einhergeht. Wenn jemand sich für einen Fehler schämt, beeinflusst das sein Verhalten. Er vermeidet möglicherweise, über den Fehler zu sprechen, aus Angst, die Scham könnte erneut ausgelöst werden.
- Psychologische Abwehrmechanismen – einige Menschen nutzen psychologische Abwehrmechanismen, um mit Stress oder Schuldgefühlen umzugehen. Dazu gehört das Verdrängen des Problems oder das Rationalisieren des Verhaltens.
Die Wende
Während dieses tiefgreifenden Prozesses erlebte Henrik einen Wendepunkt – die Erkenntnis, dass er selbst auch nicht zum Hörer gegriffen und nachgefragt hatte.
Mit Rückgriff auf das Persönlichkeitsmodell der Big Five erkannte Henrik dann seine Entspanntheit als Schlüsselschwäche. Seine Neigung, Dinge aufzuschieben und sich zu verzetteln, hatte definitiv zu der Situation beigetragen. Im ersten Schritt ging es jetzt darum, für ihn eine Lösung zu finden. Wie konnte er verhindern, dass eine solche Situation wieder passiert? Wie konnte er sicherstellen, dass er beim nächsten Mal zum Hörer greift, wichtige & lästige Dinge konsequent nachverfolgt – also das, was er von seinen Mitarbeitern erwartet, selbst vorlebt? Was konkret konnte er tun, um disziplinierter zu arbeiten?
Hier drei seiner Ansätze, mit denen er in Zukunft sein Verhalten ändern will:
- Sich selbst konsequent diese Momente bewusst machen, in denen er wieder eine unliebsame Aufgabe verschiebt.
- Die Einführung von Checklisten, um klar definierte Aufgaben und Ziele zu haben.
- Die Anwendung der 'Eat the frog'-Methode: Die Technik basiert auf dem Konzept, den unangenehmsten oder schwierigsten Aufgaben des Tages als Erstes zu begegnen und zu erledigen. Indem er den „Frosch“ zuerst „isst“, vermeidet er die Prokrastination, schafft einen produktiven Start in den Tag UND sorgt dafür, dass die schwierigen Themen ( z. B. Konsequenzen ziehen) erledigt werden.
Der Schlüsselmoment
Die Erkenntnis, dass er selbst nicht ‚zum Hörer gegriffen‘ und konsequent nachverfolgt hatte, was zu tun war, wurde der Schlüsselmoment. Im Coachingverlauf erkannte Henrik die Bedeutung des Übernehmens von Verantwortung und Offenheit gegenüber seinem Team. Er begriff, dass, bevor er sein Team zur Rechenschaft zieht, er selbst vorangehen und seine Rolle in der Situation anerkennen muss.
Fazit
Eine effektive Führungskraft weiß, dass wahre Stärke nicht nur darin besteht, Fehler zu vermeiden, sondern vielmehr, wie man auf sie reagiert. Indem Henrik seine eigene Verantwortung in der Situation erkannte und akzeptierte, legte er den Grundstein für eine Kultur des Vertrauens und Ownership-Kultur in seinem Team. Dieser Prozess unterstreicht die Kraft der Selbstreflexion und wie das Übernehmen von Verantwortung als Führungskraft ein Team zum Erfolg führen kann.
Take away Frage
Denken Sie an eine Zeit zurück, in der Sie Verantwortung für einen Fehler übernommen haben. Wie hat dieses Eingeständnis die Dynamik innerhalb Ihres Teams oder Ihrer Beziehung zu anderen beeinflusst? Und: Haben Sie die Verantwortung übernommen oder versucht auf Ihr Team zu ‚übertragen‘?