Wie ein Restart gelingen kann – der Trick mit dem richtigen „Wording“

„Die letzten drei Monate waren eine Grenzsituation. Erst Corona mit der ganzen Familie, dann Verdacht auf Herzinfarkt und dazu die dramatische Situation im Unternehmen. Der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Lieferkettenprobleme treffen unser Unternehmen mit voller Härte. Das alles zusammen hat mich völlig aus der Bahn geworfen – ich kann nicht mehr so handeln, wie ich es gewohnt bin. Ich muss einen Restart machen.“ … Damit begann der Intensivtag mit meinem Klienten, Eigentümer eines mittelständischen Unternehmens, 2.500 Mitarbeiter.

Restart bedeutet für jeden individuell etwas anderes

Im Laufe unseres Intensivtages kristallisiert sich heraus, was mein Klient ganz persönlich unter „seinem“ Restart versteht. Über Fragen führe ich ihn zur Lösung.

„Woran würden Sie merken, dass Ihnen der Restart gelungen ist?“ frage ich ihn.

„Ich muss wieder lernen, die Signale meines Körpers ernst zu nehmen.“

„Was wäre die erste Lektion in Ihrem Lernprogramm?“

„Ich höre auf meinen Körper und entwickle wieder ein Gefühl für meine Gesundheit. Ich bin auch deshalb so unachtsam geworden, weil ich resilient bin, wie man so schön sagt und schnell regeneriere. Auch deshalb hat mich meine ‚Herzattacke‘ emotional mehr getroffen als alles andere. Diese Erkenntnis: Dein Körper kann nicht so, wie dein Kopf möchte – das war echt hart.“

„Wie genau setzen Sie die Idee ‚Ich höre auf meinen Körper´ um? Was wäre Ihr erster Schritt?“

„Ich schaffe mir Freiraum, um z.B. regelmäßig Sport zu treiben.“

„Was heißt für Sie ‚regelmäßig‘?“

„Mindestens 3 x pro Woche eine Stunde.“

„Wie genau schaffen Sie sich den Freiraum?“

Das Wort „Freiraum“ trifft für ihn den ersten Nagel auf den Kopf.

Beruflich Freiraum schaffen – Utopie oder möglich?

Gemeinsam identifizieren wir einzelne Felder, in denen mein Klient Potential für Freiräume erkennt. Um jedoch ins konkrete Handeln zu kommen, entwickeln wir im Anschluss einen konkreten Umsetzungsplan.

„Eine neue Stabstelle – Vorstandsassistenz – schaffen. Das bringt mir ordentlich Unterstützung und schafft Zeit. Das war bisher nicht optimal geregelt.“

„Wie genau setzen Sie das um?“

„Ich beauftrage morgen unseren Personalleiter, eine Stellenanzeige zu formulieren.“

„Bis wann wollen Sie die Stelle besetzt haben?“

„Spätestens in drei Monaten.“

Aber reicht das aus?

Privat Ballast abwerfen

„Ich muss Ballast abwerfen. Dinge, die ich meine machen zu müssen. Ich muss einsehen, dass mir jeden Tag nur ein bestimmtes Zeitkontingent zur Verfügung steht. Auch im Privatleben. Ab sofort trenne ich mich von gewissen Themen, z.B. von intensiver Zeitungslektüre auf dem Handy. Auch wenn ich unglaublich gerne lese, mir fehlt schlicht die Zeit, um so viel zu lesen, wie ich das gerne möchte.“

„Wie sieht das konkret im Alltag aus?“

„Ich brauche z.B. ein neues Abendritual. Eine Stunde vor dem Schlafengehen kein Handy mehr. Erst checke ich Mails und dann versinke ich in interessanter Lektüre und komme nicht mehr los davon. Das muss ich abstellen.“

„Was noch?“

„Ich richte mir ein klares ‚Family-Fenster‘ und ‚Me-Time-Fenster‘ ein. Beides kommuniziere ich deutlich. ‚Me-time‘ hat für mich Priorität. Aus meiner Sportzeit ziehe ich Kraft, die wichtig ist für meine Gesundheit. Ich nehme mir vor, auch die kleinen Dinge wertzuschätzen, z.B. mit dem Hund spazieren zu gehen.“

„Was brauchen Sie, damit Sie die ‚Me-time‘ auch wirklich nachhaltig umsetzen?“

Von der Me-time zur Businesstime – das Wording kommt ins Spiel

Über einen längeren Austausch fand mein Klient heraus, dass er die ‚Me-time‘ aufrichtig ernst nehmen muss – so wie einen Businesstermin. Sie braucht denselben Stellenwert und dieselbe Relevanz.

„Wie genau sieht Ihre ‚Me-Businesstime‘ aus? Beschreiben Sie konkret die Wochentage, die Zeiten etc. Was genau machen Sie ab morgen anders?“

Der Klient hatte viele kreative Ideen zur Ausgestaltung. Das erlebe ich oft, dass Klienten sehr erfinderisch sind und während der Zusammenarbeit Lösungen entdecken, die zielführend sind. Entscheidend sind dabei jedoch nicht die Ideen, sondern die genaue Planung und (Bereitschaft zur) Umsetzung. Deshalb lege ich – neben dem richtigen ‚Wording‘, hier: Business-me-time – großen Wert auf einen Umsetzungsplan im Coaching und frage fast schon ‚gebetsmühlenartig‘ nach: Was genau machen Sie ab morgen anders?

Dranbleiben ist der Schlüssel zum Erfolg

Im Anschluss begleite ich meinen Klienten sehr eng über einen ‚Action-Reflection-Prozess‘. Ein wöchentliches Fragenset verbunden mit Impulsen zur Umsetzungsunterstützung – ein intensiver Austausch! So gelingt ihm Dranbleiben. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Nach drei Monaten berichtete der Klient zufrieden, dass er schon jetzt 2x die Woche mit seinem Personal Trainer arbeite und ab nächsten Monat dann endlich die gewünschten drei Termine pro Woche fest gebucht habe. Die neue Position der Vorstandsassistenz würde zwar mit Verspätung, aber auch zeitnah besetzt. Auf meine Frage, was der ‚gamechanger‘ war, sagte er spontan: Das neue Wording der Me-time. „Seit ich die Me-time als Businesstime ernst nehme, gelingt es mir, die Termine einzuhalten.“