Von der Dampfwalze zum Dialog: Die Reise eines Vorstands zu einem empathischeren Führungsstil

Als Tobias, ein dynamischer Vorstand eines Startup-Unternehmens, mit einem Feuerwerk an Visionen und der unerschütterlichen Entschlossenheit, diese auch zu realisieren, zu mir ins Coaching kam, war die Intensität seiner Präsenz sofort spürbar. Bekannt dafür, Hindernisse mit Leidenschaft zu überwinden, stand Tobias jedoch vor einem Dilemma, das ihn zutiefst beschäftigte: Seine Tendenz, auf seine eigene Weise voranzugehen, ohne den Input anderer zu berücksichtigen, führte zu Spannungen innerhalb seines Teams.

Ein Wendepunkt: Die Suche nach Harmonie

In unseren ersten Gesprächen offenbarte Tobias mir seine innere Zerrissenheit. „Ich spüre, dass mein Drang, schnell voranzukommen, manchmal auf Kosten der Teamharmonie geht“, gestand er. Er war sich bewusst, dass sein Führungsstil zwar Ergebnisse lieferte, aber auch zu einer angespannten Atmosphäre führte. Einer Atmosphäre, in der sich Teammitglieder zurückgedrängt fühlten, ihre Ideen nicht ausreichend gewürdigt sahen und in der dadurch letztlich Demotivation die Folge war.

„Was genau möchten Sie durch unser Coaching erreichen?“, fragte ich Tobias.

Seine spontane Antwort: „Ich möchte lernen, ein echtes Hochleistungsteam zu leiten, in dem sich alle Mitglieder engagieren und offen austauschen. Mir ist wichtig, eine Atmosphäre des Vertrauens und des Respekts zu schaffen und dabei meine Fähigkeit zum aktiven Zuhören zu verbessern. Es geht mir darum, echte Offenheit für die Meinungen anderer zu zeigen und ihnen insbesondere in Besprechungen mehr Raum zu lassen.“ Er wusste also bereits recht genau, wo das Problem lag, und zeigte sich engagiert, dieses anzugehen – auch wenn es bedeutete, dass er an sich selbst arbeiten muss.

„Erzählen Sie mir von einer Situation, die Ihre aktuellen Herausforderungen widerspiegelt“, forderte ich ihn daraufhin auf.

Tobias überlegte kurz und gab schließlich folgendes Beispiel: „Kürzlich leitete ich ein Projekt zur Förderung der crossfunktionalen Zusammenarbeit. Obwohl ich einen klaren Plan hatte, stieß ich auf Widerstand im Team. Ich hielt an meinem Tempo fest, hörte den anderen nicht aktiv zu, und letztendlich zog sich das Team zurück. Sie stimmten mir nur oberflächlich zu, gingen aber ihren eigenen Weg, ohne mir dies zu kommunizieren." Diese Episode war offensichtlich ein Augenöffner für Tobias und markierte den Beginn seiner Bereitschaft, sein Verhalten zu überdenken und zu verändern.

Die Kraft der Persönlichkeitsanalyse

Um Tobias' Verhalten und dessen Auswirkungen besser zu verstehen, nutzten wir den LINC Personality Profiler (LPP,  ein innovatives Tool in der Persönlichkeitsdiagnostik, das ein detailliertes Verständnis individueller Persönlichkeitsmerkmale bietet. Seine Anwendung unterstützt maßgeschneiderte Interventionen, die auf die einzigartigen Bedürfnisse der Klienten zugeschnitten sind, was zu effektiveren Ergebnissen in ihrer persönlichen Entwicklung führt. Der Profiler zeigte deutlich, dass Tobias’ extrovertierte und dominante Natur gepaart mit einem hohen Aktivitätsniveau und Enthusiasmus treibende Kräfte hinter seinem Erfolg darstellen. Eben diese Eigenschaften entpuppten sich jedoch gleichzeitig als die Wurzel seiner Herausforderungen im Teamkontext.

Die Reise zur Veränderung

„Was fällt Ihnen noch auf an Ihrem Profil?“ wollte ich von Tobias wissen.

„Laut Profil bin ich sehr gewissenhaft und disziplinorientiert. Ich setze also nicht nur enthusiastisch, sondern auch sehr diszipliniert meine Vorhaben um. Hinzu kommt, dass ich mega spontan bin und mich auch in Meetings so verhalte. Mit dieser Art überrumpele ich die anderen Teammitglieder oft, nehme ich an“, reflektierte mein Klient korrekt.

„Wenn Sie an Ihr Ziel denken, zu lernen, anderen mehr ‚Raum‘ zu lassen, insbesondere bei Besprechungen oder Gesprächen. Inwieweit hilft Ihnen dieses Wissen über Ihre Persönlichkeit dann weiter?“

Tobias: „Das bestätigt absolut auch meine Wahrnehmung, dass ich insbesondere in Stresssituationen aufgrund meines extraversierten Charakters und der damit verbundenen hohen Dominanz als ‚Dampfwalze‘ über alle hinwegfahre und es in dem Moment nicht bemerke, weil ich vom Charakter her einfach so bin. Ich habe als Spanier ein südeuropäisches Temperament. Das zeigt sich hier deutlich. Ich habe schon oft versucht, dieses Temperament zu zügeln. Das gelingt mir nicht gut. Ich rutsche, sobald ich unter Stress bin – also zum Beispiel wenn meine Vorschläge nicht ankommen – wieder in alte Muster. Jetzt wird mir das erste Mal klar, warum das so ist.“

„Wenn Sie auf Ihre Persönlichkeitsfacetten schauen, was fällt Ihnen noch auf – wo könnte die Lösung liegen?“, hakte ich nach, um Tobias auf seinem Weg zu einer Lösung zu unterstützen.

 „Ich habe ja eine sehr hohe Stressresistenz, deshalb ist es erstmal umso erstaunlicher, dass ich so getriggert bin in Meetings“, antwortete er.

„Haben Sie weitere Beobachtungen dazu gemacht??“

Nach einem weiteren aufmerksamen Blick auf sein Profil, erkennt Tobias, worauf ich hinauswill: „Ah…ich habe ein sehr gemäßigtes Selbstsicherheitsniveau.“ Er hält inne und denkt nach. „Mir wird gerade bewusst, dass ich eine extreme Abhängigkeit von der Meinung anderer habe. Gefühlt muss ich den anderen Teammitgliedern beweisen, dass sie mich lieben sollen. Das hängt bestimmt mit meinem niedrigen Selbstbewusstsein zusammen.“

„Erzählen Sie mir mehr davon!“ ermutige ich ihn, da wir uns auf der Zielgeraden befinden.

„Mein Stresslevel und mein Energielevel – also, dass ich mich nicht bremsen kann – das rührt im Ursprung daher, dass ich unsicher bin. Die Unsicherheit stresst mich im Inneren und das führt dazu, dass ich nicht reflektiert handle, sondern immer auf mein Musterverhalten zurückgeworfen werde“, zieht Tobias die richtigen Schlüsse aus seinem Profil.

„Was wäre vor diesem Hintergrund ein erster hilfreicher Schritt hin zu Ihrem Ziel? Anderen mehr ‚Raum‘ zu lassen, insbesondere bei Besprechungen oder Gesprächen?“

Tobias: „Mir wird gerade sehr bewusst: Ich muss an meinem Selbstbewusstsein arbeiten. Es ist auf einmal so deutlich – das Thema unter der Oberfläche heißt: moderates Selbstbewusstsein. In bestimmten Situationen, wo ich mich sicher und entspannt fühle,  kann ich beispielsweise supergut zuhören - warum mache ich das nicht in anderen Situationen genauso?“

Neue Wege in der Teamkommunikation

„Okay - der erste wesentliche Schritt hin zu mehr Selbstbewusstsein ist, sich seiner Selbst bewusst zu werden. Ein erster praktischer Schritt hin zu Ihrem Ziel, anderen mehr ‚Raum‘ zu lassen, insbesondere bei Besprechungen oder Gesprächen, könnte also folgender sein: Beobachten Sie Ihr Verhalten, Ihre Muster. Werden Sie sich Ihrer Selbst bewusst. Ich lade Sie ein zu einem Experiment: Auf einer Skala von 0 bis 10 – wie bewerten Sie Ihr Selbstwertgefühl?“

Tobias: „6.“

„Was müsste passieren oder sich ändern, damit Sie einen Punkt auf der Bewertungsskala aufsteigen können?“

„Ich brauche Rahmenbedingungen, in denen ich mich super wohlfühle“, überlegt sich Tobias.

„Super. Darüber geben Ihnen u.a. Ihre Motive Auskunft. Motive verraten, was wir brauchen, um uns wohlzufühlen. Wenn Sie sich wohlfühlen, sind Sie nicht gestresst und es fällt leichter, neue Muster zu entwickeln bzw. nicht in die alten Muster zu fallen. Welches Ihrer Motive könnten Ihnen hier helfen?“

„Ich bin sehr beziehungsmotiviert und Kreativität motiviert mich maximal. Ich brauche ein harmonisches und kreatives Umfeld.“

„Wie könnten Sie dieses Wissen nutzen, um Ihr Ziel zu erreichen?“

„Ich könnte zum Beispiel Meetings kreativ gestalten. Statt mit einer vorgefertigten Meinung oder einem festen Konzept in das Meeting zu gehen, könnte ich kreative Bausteine integrieren, die es den Teilnehmenden ermöglicht, sich aktiv einzubringen. So bin ich quasi ‚gezwungen‘ – schon vom Konzept her – den Teilnehmenden zuzuhören und gleichzeitig fühle ich mich wohl, weil es ein kreativer Prozess ist. Das ist eine mega Idee und ein sehr guter erster Schritt. Ich freue mich schon auf die nächste Session. Vielen Dank!“

Es war spannend zu beobachten, wie Tobias' Reise vom impulsiven Voranschreiten (als ‚Dampfwalze‘) hin zu einem bewussteren, empathischeren Führungsstil nicht nur seine Persönlichkeitsstrukturen aufdeckt, sondern auch, wie das Bewusstsein und die Anpassung dieser Muster zu einer echten Transformation führen – eine Entwicklung, die sowohl für Tobias persönlich als auch für sein Team von unschätzbarem Wert ist.