„Spieglein, Spieglein an der Wand…"

Felix M. – Vorstand und Enthusiast, auf der Suche nach ständiger Beschäftigung aufgrund seines sehr hohen Energielevels, eng getaktetes Leben, schiebt schwierige Tätigkeiten (oder Gespräche) gerne auf die lange Bank, liebt Veränderung, ist dabei gleichzeitig sehr empfindsam – regt sich schneller und auch intensiver auf als seine Mitmenschen. So lässt sich ein Teil seiner Persönlichkeit, mit der er im Alltag 'konfrontiert' ist, beschreiben. Die präzise Analyse hat er durch die Persönlichkeitsdiagnostik mit dem LINC Personality Profiler herausgefunden, den er zum Start des Coachings gemacht hat.

In den heutigen Coachingtag starten wir mit folgender Herausforderung: Wir nennen sie Sabine. Sie hatte die Gehaltsverhandlung, die sie mit Felix M. und der HR-Verantwortlichen geführt hatte, ausgereizt. Ihre Fähigkeiten angepriesen – v.a. ihre produktive und erfahrene Arbeitsweise angeführt. Im Alltag war davon dann aber wenig zu spüren. Ganz im Gegenteil: „Es fehlt ihr an Seniorität – sie scheint komplett überfordert mit dem Alltag“, berichtet Felix M. "Sie arbeitet zwar unermüdlich, aber sie wirkt gestresst und unsicher. Ich verlange von meinen Direktoren, dass sie eigenverantwortlich handeln und mit Unsicherheiten umgehen können, aber ich sehe, dass Sabine sich überfordert fühlt."

Ich hake nach: "Wie fühlen Sie sich dabei, wenn Sie sehen, dass sie unsicher und überfordert ist?"

Felix zögert einen Moment und antwortet dann: "Es frustriert mich. Ich meine, ich verlange von meinen Mitarbeitern, dass sie Seniorität zeigen.“

„Und wie viel Seniorität zeigen Sie? Wo genau zeigt sich Seniorität in Ihrem Führungsstil?“, halte ich Felix M. den Spiegel vor.

„Gute Frage… In erster Linie ärgere ich mich über Sabine. Sie hat so viel Geld verlangt und jetzt setzt sie nicht um. Sie ist nicht in der Lage Prioritäten zu setzen, führt Ihr Team sehr unsicher und zudem unterlaufen ihr ständig Fehler. Wenn ich Ihre Frage so reflektiere, fällt mir auf, dass ich andererseits aber selbst nicht gerade souverän bzw. senior reagiere. Ich bin immer ‚unter Strom‘ – wie es auch meine Persönlichkeitsanalyse gezeigt hat. Für Führungsgespräche nehme ich mir kaum Zeit. Ich glaube, ich könnte das auch besser machen", schlussfolgert er.

In unserem Coaching wird schnell klar, dass er selbst nicht die Seniorität vorlebt, die er von Sabine erwartet. Statt sie weiterzuentwickeln – über Fragen zu führen und Leadership-Zeit zu investieren – macht er in Gesprächen mit Sabine vor allem seiner Enttäuschung Luft, ärgert sich über ihre 'Mimosenhaftigkeit' und ihre mangelnde Bereitschaft, auch mal die Extrameile zu gehen – bei so viel Gehalt.

Diese Selbsterkenntnis ist der Wendepunkt in unserer Sitzung. Die Erkenntnis, dass er Seniorität von Sabine erwartet, selbst aber keine zeigt, stimmt ihn nachdenklich.

Der Weg zur Veränderung

"Was genau fehlt Ihnen? Welche Skills brauchen Sie, um Seniorität vorzuleben?", frage ich weiter.

Pause. Schweigen für volle zwei Minuten. Im Coaching eine Ewigkeit und gleichzeitig ein großes Geschenk. Sich Zeit nehmen für die eigenen Gedanken; eine intensive Reflexion statt schneller Antworten, die geradezu heraussprudeln – das ist herausragend wichtig. Nach weitergehenden Fragen von mir formuliert er dann folgende Erkenntnis: „Vielleicht sollte ich erstmal klären, welche Skills ihr für ihre Rolle als Direktorin fehlen und herausfinden, wie ich sie unterstützen kann und gleichzeitig meine Erwartungshaltung klarer definieren kann. Das hat sicher auch noch Potenzial."

Während der Coachingsession erarbeiten wir dann gemeinsam den folgenden Aktionsplan, mit dem Ziel für Sabine, die Leistung zu verbessern sowie die Zufriedenheit auf beiden Seiten zu steigern und somit das Stressniveau zu reduzieren:

  • Kommunikation: Das Gespräch mit Sabine suchen, um die Gründe für ihren Stress und ihre Unsicherheit zu verstehen.
  • Klare Erwartungen setzen: Es ist wichtig, klare Erwartungen an das Verhalten und die Leistung der Direktorin zu kommunizieren.
  • Feedback: Konstruktives Feedback zur Priorisierung ihrer Aufgaben und zu ihrer allgemeinen Organisation geben.
  • Unterstützung: Hilfe bei der Aufgabenorganisation anbieten, z.B. durch gemeinsame Priorisierung.
  • Ressourcen: Sicherstellen, dass Sabine über die notwendigen Ressourcen verfügt, wie zum Beispiel ausreichend Personal oder die erforderliche Technologie.
  • Flexibilität: Analysieren, ob die Arbeitsbelastung reduziert oder die Arbeitsweise angepasst werden muss.
  • Mentoring: Sabine auffordern, sich beruflich weiterzuentwickeln und Unterstützung durch Mentoring oder Weiterbildung anbieten.
  • Überprüfung: Regelmäßig den Fortschritt überprüfen und bei Bedarf die Maßnahmen anpassen.

Fazit

Die Coaching-Sitzung mit Felix M. hat gezeigt, wie wichtig Selbstreflexion und Selbsterkenntnis für Führungskräfte sind. Felix M. erkannte, dass Führung nicht nur von oben herab erfolgt, sondern vor allem durch Vorbildfunktion und Empathie. Unsere Sitzung hat ihm geholfen, seinen Weg zur Seniorität zu finden und ein Bewusstsein dafür geschaffen, wie es ihm gelingen kann, Sabine in ihrer Position als Direktor weiterzuentwickeln.