Souveräner Auftritt in vier Schritten

„Ich möchte mich auf eine Jobinterviewreihe vorbereiten, die in den nächsten Wochen ansteht.“ „Und woran genau möchten Sie arbeiten?“, frage ich meinen Coachee – einen angehenden COO aus der Telekommunikationsbranche.
„Wie kann ich schnell herausfinden, was meinem Gegenüber wichtig ist? Dabei geht es mir weniger um die stereotypischen Themen – also die ‚typischen‘ äußeren Merkmale, aus denen man auf persönliche Verhaltensweisen und Kompetenzen schließt. Da fühle ich mich fit. Mir geht es um zwischenmenschliche Themen. Wissen Sie, ich bin der Typ für den zweiten Blick – aber in fünf oder sieben von zehn Fällen kommt es gar nicht mehr zum zweiten Blick – wie bekomme ich das kommuniziert?“
„Wenn Sie an die ersten fünf Minuten eines Vorstellungsgesprächs denken. Wo hakt es aus Ihrer Sicht? Was fällt Ihnen am schwersten? Was können Sie tun, um die ersten fünf Minuten optimal zu gestalten?“
„Da ist diese Ambivalenz – gehe ich da hurra in das Gespräch – ich komme jetzt, ich habe die Fahne in der Hand und lauf vorbei und versuche das Gespräch an mich zu reißen oder gehe ich softer, sachter rein und versuche mich drauf einzustellen?“

Welche Möglichkeit haben Sie noch?

Der Coachee schaut mich ratlos an. Stille. Nach zwei Minuten und weiteren Nachfragen meinerseits bittet er mich, einen Vorschlag zu machen:

„Was halten Sie von Souveränität als Lösung?“

Die Idee, souverän aufzutreten, gefällt ihm. „Sie haben das Wort Souveränität angesprochen – nur, wie wirke ich souverän?“

Wir arbeiten das zweite Mal zusammen – das gibt mir die Chance, auf bereits besprochene Techniken zurückzugreifen. Deshalb frage ich: „Welche Techniken, die auf Ihre Souveränität einzahlen, haben Sie bereits ausprobiert?“

Ich-Botschaften als Schlüssel

„In dem Gesprächsumfeld helfen mir die ICH-Botschaften. Früher hätte ich z. B. gesagt: Man sollte einen Plan machen … heute sage ich: Das ist mein Plan, so mache ich das … Das fühlt sich auf jeden Fall souveräner an. Außerdem versuche ich den Raum zwischen Reiz und Reaktion zu erkennen. D. h., ich frage mich, was will mein Gesprächspartner hören – ich versuche aktives Zuhören und dann eine klare Entscheidung zu treffen und bewusst zu antworten. Das versuche ich immer öfter, ich erwische mich zunehmend, dass ich das aktiv mache, dass ich mir das auch vornehme.“

Aktives Zuhören – aber wie?

Aktives Zuhören spiegelt dem Gesprächspartner die sachliche und die emotionale Ebene. Nicht nur bei schwierigen und emotionalen Themen baut diese Form der Gesprächsführung gegenseitiges Vertrauen auf und verbessert so die Kommunikation. Gerade in Bewerbungsgesprächen punktet der aktive Zuhörer mit Souveränität, weil er seinem Gegenüber Achtung und Respekt entgegenbringt und gleichzeitig Vertrauen aufbaut. Aktives Zuhören zwingt uns zudem im Gespräch wach zu bleiben. Hellwach. Während der Konversation ist man auf Empfangsmodus – 100 Prozent. Das spürt auch das Gegenüber. Gesprächsergebnisse werden nachhaltiger, da eine höhere Verbindlichkeit entsteht.

Während des Coachings erarbeitet der Coachee einen 3 Schritte-Plan:

1. Non-verbales „Aktives Zuhören“!

Beim Aktiven Zuhören eine offene Körperhaltung einnehmen (z. B. keine verschränkten Arme), und über einen bewussten Blickkontakt dem Gesprächspartner intensiv zuhören. Dabei natürlich bleiben.

2. Aktiv zuhören

Anders als beim „passiven“ Zuhören beim Aktiven Zuhören dem Gesprächspartner verbale und non-verbale Signale senden – dass man seine Ausführungen versteht.

- Kopfnicken
- Kurze bestätigende Kommentare: „mhm ...“, „ja“, „verstanden“ etc.

Konzentration auf das Gegenüber während des Gesprächs. NICHT abschweifen gedanklich, statt sich z. B. in Gedanken schon auf die nächste Antwort vorbereiten, dem Gegenüber zuhören.

In Gedanken folgende Fragen stellen:

  • Was empfindet mein Gesprächspartner?
  • Welches Interesse verfolgt er?
  • Was ist ihm wichtig an dem, was er gerade sagt?

Die drei Fragen auf ein post-it schreiben und an den Computer heften. So sind die Fragen während des Bewerbungsgesprächs jederzeit im Blickfeld. Oder – wenn das Gespräch in Präsenz stattfindet – die Fragen so lange verinnerlichen, bis ein selbstverständliches „Denkritual“ sind.

3. Dem Gegenüber spiegeln: Ich habe verstanden und fühle mich gut!

Mit dem Gesprächspartner (z. B. über das 4-Quadrantenmodell) nicht nur die Inhalte, sondern auch die Gefühle und Bedürfnisse teilen.

Haben Sie einen Plan?

„Was wäre eine weitere Sache, die Sie besser machen könnten?“

„Na ja, bisher ist das eher ein Zufallsvorgehen. Ich könnte die Gespräche besser planen.“

„Wie genau könnten Sie sich vorbereiten? Wie könnte die Planung aussehen?“

Wieder Stille. Ein wertvoller Raum im Coachingprozess.

„Was wäre ein erster Schritt?“

Stille.

„Kommunikation – auch aktives Zuhören – findet verbal und non-verbal statt“, fahre ich fort.

„Ach so, Sie meinen meine Körperhaltung?“

Was noch?

„Mimik und Gestik.“

„Sehr gut. Lassen Sie uns das Gespräch einmal durchspielen.“ Wir verteilen die Rollen – ich bin der CEO, mit dem er das Gespräch führen wird: „Herr Müller, was brauchen Sie von uns, um den notwendigen Differenzierungsfaktor, den wir von Ihnen erwarten auch zu bringen?“

Noch bevor mein Coachee den ersten Satz sagt, unterbreche ich ihn. Seine Mimik war angestrengt-negativ, dazu hat er mit einem tiefen Seufzer gestartet und somit gleich in der ersten Sekunde mehrere non-verbale negative Signale ausgesendet. Im Verlauf des Coachings entwickele ich mit ihm ein Minitraining, das ihn dabei unterstützt, mit einer entspannten Mimik und Gestik zu starten, die souverän wirkt.

„Was ist noch wichtig für einen souveränen Auftritt?“, frage ich anschließend weiter.

Wieder Stille.

Weg mit den Weichmachern

Der Coachee beginnt: „Ich könnte versuchen …!“ „STOP!“ – sage ich.“ „Genau jetzt verlieren Sie an Souveränität. Wenn Sie sogenannte Weichmacher nutzen. Das sind Füllwörter wie: könnte, hätte, sollte, würde, wäre, eigentlich, versuchen, aber etc. Diese Wörter schwächen Ihre Aussagen und wirken unsicher. Ein souveräner Satz beinhaltet KEINE Weichmacher. Beobachten Sie ab sofort Ihre Sprache. Nehmen Sie wahr, wann und wie oft Sie Weichmacher nutzen. Beginnen Sie im nächsten Schritt, die Weichmacher bewusst wegzulassen. Üben Sie die ‚neue Sprache‘ täglich. So, dass Sie im Bewerbungsgespräch ganz selbstverständlich ‚Weichmacher-frei‘ formulieren.“

Am Ende des Tages hat der angehende COO vier Themenfelder identifiziert, an denen er ab sofort konkret arbeiten kann und die auf seine Souveränität einzahlen. Seine Kernerkenntnis? „Vorbereitung – Vorbereitung – Vorbereitung!“

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