Quarantäne oder Retreat?
Vergleiche man die Begriffe Quarantäne und Retreat, so liegen auf den ersten Blick Welten dazwischen. Retreat bedeute sich von einem Plan oder einer Lebensweise zurückzuziehen, sie aufzugeben und sich stattdessen etwas anderem zuzuwenden, etwa etwas Extremeren. „Nun kann man darüber streiten, ob der Rückzug ins Homeoffice ‚weniger extrem‘ als die tägliche Arbeit im Büro ist und doch trifft die Situation, wenn alle Räder still stehen – die Hast, den nächsten Flieger zu erreichen wegfällt und der morgendliche Stau der Vergangenheit angehört – genau diesen Gedanken. Warum also nicht, statt sich über die Quarantäne oder andere Covid-19-Maßnahmen tagtäglich zu beklagen, ihr einfach eine neue Bedeutung geben“, empfiehlt Segschneider, die Generalistin unter den Executive Sparringspartnern und führt weiter aus: „Wir können, wie so oft, gerade nicht ändern, was um uns herum geschieht. Was wir aber jederzeit ändern können: wie wir damit umgehen und welche Haltung wir haben. Lust auf einen Perspektivenwechsel?“
Menschen treffen in jedem Moment die Entscheidung: Übernehmen sie selbst Verantwortung für das, was sie tun, wie sie denken und handeln oder machen sie andere Menschen oder Situationen für ihr Wohlbefinden, ihr ‚Glücklich sein‘ verantwortlich? „Victor Frankl, österreichischer Neurologe und Psychiater, der das KZ überlebte, hat es treffend formuliert: ,Everything can be taken from a man but one thing: the last of the human freedoms – to choose one’s attitude in any given set of circumstances, to choose one’s own way.’ Aber wie gelingt es, im Krisen-Alltag die kleinen Glücksmomente zu erkennen und zu genießen?“
Zunächst einmal gehe es darum, zu erkennen, dass man die Wahl hat, den eigenen Weg zu wählen. „Die Entscheidung, welchen kleinen Glücksmoment Sie, trotz ‚Quarantäne‘ (oder was auch immer Ihr Leben aktuell belastet) bewusst in Ihr Leben oder das Ihrer Mitarbeiter integrieren, ist dabei so individuell wie das Glück selbst“, erklärt Segschneider. Dem Ideenreichtum seien keine Grenzen gesetzt. „Ihre eigenen Vorlieben können Sie beispielsweise leicht herausfinden, indem Sie einfach den Timer Ihres Smartphones auf 60 Sekunden stellen, in sich hineinhören und fragen: Wie könnte ich mir jetzt einen kleinen Glücksmoment schaffen?“
Die Prioritäten von Mitarbeitern seien fast ebenso leicht herauszufinden – dazu müsse eine Führungskraft lediglich gut zuhören. Dies habe – neben der menschlichen – auch eine wirtschaftliche Komponente: Mitarbeiter, deren Bedürfnisse ernstgenommen werden, fühlen sich nicht nur wohler im Unternehmen, sie performen auch deutlich besser.
„Frei nach dem Motto: You go first, starten Sie am besten zunächst Ihr eigenes Speedprogramm für kleine Glücksmomente. Teilen Sie Ihre Erfahrungen anschließend mit Ihren Mitarbeitern. Wann haben Sie sich zum Beispiel das letzte Mal in einer ganz alltäglichen Situation bewusst gemacht, wie wertvoll dieser Augenblick, den sie gerade erleben, ist? Beispielsweise der kurze Plausch mit dem netten Nachbarn nach langer Quarantäne oder die Freude über ein Dinner mit Freunden im Restaurant? Wenn Sie jetzt denken – gute Anregung, dann lassen Sie es nicht beim Denken. Werden Sie sofort aktiv: Schreiben Sie die Glücksmomente auf, die Ihnen spontan einfallen und Sie sind bereits auf einem guten Weg“, so die Expertin für Führungskräfteentwicklung.
Wer seinen Fokus auf ‚Glücksmomente‘ richte, lerne im Hier und Jetzt zu leben, statt sich über die Vergangenheit zu ärgern oder die Zukunft zu fürchten. „Richten Sie Ihr Leben auf die erfreulichen Dinge des Lebens aus“, empfiehlt Segschneider. „Prof. Paul G. Thomas, Politikwissenschaftler von der University of Manitoba, fasst die Lehre, die man daraus ziehen kann, beispielhaft in einem Satz zusammen: ‚Das Einzige, was man absolut unter Kontrolle hat, sind die eigenen Gedanken. Und genau deshalb hat man auch die Kontrolle über das eigene Schicksal.‘ Coaching ist eine optimale Möglichkeit, Techniken zu lernen, die genau diese Kontrolle ermöglichen“, erklärt Segschneider abschließend.