Notbremse oder Fast-Lane Projekt – Wie man Prozesse auf die Überholspur bringt

Stahlbranche. Traditionelle Strukturen. Der Geschäftsführer einer Tochterfirma voller Ideen, agil, nach vorne denkend. Das Unternehmen träge, aktuell überfordert von der Vielzahl der Herausforderungen. Alles ist wichtig, dringend, unaufschiebbar – alles und zugleich nichts hat Priorität. Dadurch bleibt ‚alles‘ liegen – Entscheidungen werden verschleppt. Ohnmacht. So schildert mein Coachee, Geschäftsführer eines Tochterunternehmens, die Situation.

„Wie kann ich Entscheidungen des Managements schneller bzw. im vorgegeben Zeitrahmen erhalten?" – mit dieser Frage starten wir in den Intensiv-Coachingtag und werfen im ersten Schritt einen Blick in seinen LINC Personality Profiler. Was sofort auffällt: Seine hohe Innenorientierung. Innenorientierte Menschen verbringen Zeit gern alleine, ohne sich einsam zu fühlen, machen Probleme eher mit sich selbst aus und laden den Akku durch Nachdenken und Reflektieren auf. Sie behalten ihre Gedanken gerne für sich – teilen auch Ideen selten mit anderen. “Ja das stimmt zu 100%! Ich habe mir schon unzählige Gedanken gemacht und auch Lösungen parat, wie meiner Ansicht nach die Entscheidungen des Managements schneller werden könnten – nur geteilt habe ich meine Überlegungen bisher mit Niemandem.“

Den Charakter kann man nicht ändern – das Verhalten schon!

Wir besprechen, dass seine Motive und Charaktereigenschaften – wie seine Innenorientierung – fest in ihm verankert sind. Der LPP zeigt zunächst ‚nur‘ auf, wo er steht. Jede Charaktereigenschaft ist mit einem Verhalten verknüpft. Den Charakter kann man nicht ändern – das Verhalten hingegen schon! Neben einer möglichen Verhaltensänderung hat er noch drei weitere Optionen, auf seine Innenorientierung zu ‚reagieren‘ – insgesamt also vier Möglichkeiten:

  1. Verhaltensänderung: neue Verhaltensweisen aneignen, neue Verhaltensstrategien entwickeln und die eigenen Kompetenzen weiterentwickeln.
  2. Informieren: Mitmenschen aktiv und transparent über eigenes Verhalten, Denken und Fühlen informieren, ohne es zu verändern (Elefant im Raum vorstellen…).
  3. Kompensieren: eigene persönlichkeitsbezogene Lernfelder durch besondere andere Stärken kompensieren.
  4. Akzeptieren: eigene persönlichkeitsbezogene Lernfelder akzeptieren, ohne sie zu verändern.

„Welche Option würden Sie am liebsten wählen?“, will ich von meinem Klienten wissen. Er denkt nur kurz nach und antwortet spontan: „Ich muss und möchte mein Verhalten ändern. Das wird mir gerade sehr deutlich. Meine Innenorientierung führt dazu, dass ich Ideen mit mir rumtrage und frustriert bin, dass die anderen nicht reagieren. Das war mir nicht klar. Die Lösung könnte sein, dass ich meine Innenorientierung ‚challenge‘ und meine zahlreichen Ideen, die ich habe, mit den anderen teilen.“

Was ist wichtig, was schon dringend und wo braucht es die Notbremse?

Damit das gelingt, macht er im ersten Schritt seine Gedanken / Überlegungen für sich selbst sichtbar:

„Wir müssen unsere Kommunikation überdenken und schärfen. Das Management muss konsequent unterscheiden zwischen wichtig und dringend. Im ersten Schritt geht es darum, ein Verständnis zu bekommen, was ist dringend – was ist wichtig.“

Wie genau könnte das in der Praxis aussehen?

„Wir entwickeln eine ‚fast-lane‘ für Themen bzw. Entscheidungen, die eine Kombination aus wichtig & dringend sind. Analog zur Straßenbahn richten wir eine Notbremse ein. Die darf man nur ziehen, wenn wirklich 'Not' ist. Notbremse unbegründet zu ziehen hat auch Konsequenzen.“

„Die Notbremse hält den Zug an und rettet Leben.“, fährt mein Klient fort. Gleichzeitig bringt sie uns auf die Überholspur und/oder sorgt dafür, dass wir nicht kollidieren. Wir optimieren so die Wahrnehmung von Chancen und Möglichkeiten.“

Die Ideen sprudeln nur so aus ihm heraus. Sein ‚Fast-Lane‘-Projekt nimmt mehr und mehr Gestalt an:

„Fast-Lane-Prozesse sind Überholspur-Prozesse, für Themen mit allerhöchster Priorität, wie teure Projekte oder wenn Gefahr in Verzug ist. Jeder Verantwortliche muss den Prozess kennen und ihn anstoßen können.“

Verstehe Dich selbst und die Blockaden wandeln sich in Energiebooster!

Mein Coachee wirkt wie befreit. Ein Riesenberg an Ideen hatte schon lange in seinem Innern geschlummert. Bisher hatte ihn seine hohe Innenorientierung davon abgehalten, Gedanken mit seinem Umfeld zu teilen. Der LINC Personality Profiler hatte diese Facette seines Charakters sichtbar gemacht. Die Erkenntnis allein, dass er innenorientiert ist, reichte aus, ihn ins Handeln zu bringen. Entscheidend war nun die Frage nach der Umsetzung.

„Ganz einfach. Wir haben ein Ideenmanagement. Da gebe ich meine Idee rein. Dazu muss ich noch Bedarf und Nutzen genau herausarbeiten, so dass es ein praktikables Werkzeug ist, das wir in der Firma neu installieren.“

Seine Prinzipienorientierung & Leistungsorientierung halfen ihm dabei. Darüber hinaus konnte er noch ein weiteres WatchOut aus den LPP-Ergebnissen erkennen: Seine hohe Entspanntheit, die aussagt, dass er Dinge, Situationen, die unangenehm sind, gerne mal auf die lange Bank schiebt! Sollte es also Hürden bei der Umsetzung geben, ist es entscheidend, dass er genau diese Entspanntheit im Blick hat und seinen Fokus auf Disziplin, seine Leistungsorientierung und Prinzipienorientierung richtet!

Haben auch Sie eine Herausforderung im Alltag, die Sie gerne lösen möchten? Sprechen Sie mich an oder schreiben Sie mir.

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