Menschen lügen unsäglich oft!

Ob Wirecard ‚im Großen‘ oder die Restaurantquittung ‚im Kleinen‘. Jede große Lüge beginnt mit einer kleinen Lüge, die oft unter Druck entsteht. Wie Sie ‚Lügenfallen‘ vermeiden, lesen Sie in diesem Blogartikel.

...und unter Druck noch öfter. 

Als Sie vom aktuellen Compliance-Skandal erfahren haben, was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen? Sie überlegen jetzt, welchen aktuellen Compliance-Skandal ich meine? Das lässt sich genau genommen schwer vorhersagen und kommt auf den Zeitpunkt an, zu dem Sie diesen Blogartikel lesen. Als ich zusammen mit Dr. Kathrin Niewiarra mit den Arbeiten zu unserem Buch ‚Balanceakt Compliance‘ begonnen habe, bestimmte der Prozess um die Compliance-Überzeugungen von Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff die Schlagzeilen. Während der intensiven Schreibphase kamen dann immer neue Details über die VW-Machenschaften rund um Diesel-Gate ans Licht und kurz bevor wir die ‚Bücher geschlossen’ haben, tauchten die Panama Papers wie ‚aus dem Nichts’ auf. Und heute? Ist Wirecard der aktuell wohl prominenteste Skandal.

Compliance-Skandale sind im System verankert. Sie wachsen und gedeihen wie eine Pflanze: Erst schlagen sie Wurzeln und plötzlich sprießen sie hervor. Das ist der Moment, wo sie in der Öffentlichkeit stehen, genauso, wie der aktuelle __________ Skandal (der Platzhalter ist für Sie, verehrte Leser, gedacht, hier können Sie den neuesten eintragen). Anregungen, damit Ihnen der Balanceakt Compliance gelingt – anders als den Protagonisten aus den Schlagzeilen – finden Sie in unserem Buch und eine Kostprobe hier im Blogartikel.

Wie gelingt es, auch unter Druck noch gesetzeskonform zu handeln?

 

Viele Leser finden möglicherweise schon die Frage ‚unmoralisch‘. Doch die Realität sieht anders aus. Gerade in Zeiten, in denen der Margendruck höher denn je ist, kämpfen Topmanager Tag für Tag darum, Versuchungen und Vertuschungen zu widerstehen. Der Alltag hat viele Reize. Um kurzfristig in einen State zu kommen, der dazu führt, eine Entscheidung zu treffen, die regelkonform ist, muss man sich bewusst machen, dass eine gegenteilige Entscheidung für die Psyche zunächst mal zum Alltagsrepertoire gehört. Schon Nietzsche klagte: „Die Menschen lügen unsäglich oft.“ Und er hatte recht.

Wenn auch die Zahl im Internet, dass jeder Mensch bis zu 200 Mal pro Tag lügt, nicht wissenschaftlich fundiert ist, so ist es doch so, dass unser Alltag mit Lügen vollgepackt ist. Meist sind es zwar nur sogenannte „Notlügen“ oder „weiße Lügen“, für die eigene Verfassung macht das aber erst mal keinen Unterschied. Im Gegenteil: Je „normaler“ das Lügen für einen ist, desto niedriger auch die Hemmschwelle, unrechtmäßige Entscheidungen zu treffen. Genauso wie Alltagslügen eher harmlos sind, beginnt ja auch Korruption oft im Kleinen. Wie z.B. bei der Höhe der Restaurant-Quittung oder auch beim Klassiker der überhöhten Rechnungen, deren Aufschlag sich dann Lieferant und Einkäufer 50:50 teilen. Die entscheidende Frage ist deshalb, wann sich eine harmlose Lüge in eine schadhafte Lüge verwandelt.

Zwei Gründe für’s Lügen

 

Menschen haben meistens zwei Beweggründe, warum sie in den Lügen-State wechseln: Entweder sie lügen für den eigenen Vorteil oder für ihre „Sache“. Der Vorteil, den sie sich von einer Lüge versprechen, liegt meist im schnelleren Erfolg, der häufig verbunden ist mit der Idee, dass man selber besser dasteht. Wir lügen also, weil wir daraus einen Vorteil ziehen, sei es aus egoistischen Gründen oder aus altruistischen Motiven, z. B. um unsere Firma zu unterstützen, ohne selbst daraus einen direkten Nutzen zu ziehen. Das VW-Lügengebäude ist möglicherweise u.a. genau so entstanden. Die Technikverantwortlichen hatten die Situation als klare Vorgabe vom Vorstand verstanden und wollten diese erfüllen (über die Gründe könnte man ein eigenes Buch schreiben). Einen eigenen Vorteil hatten sie – wenn überhaupt – nur indirekt.

In solche Lügenfallen tappen wir auch deshalb, „weil die anderen es genauso machen“. Wir fühlen uns dann sozusagen „sozial abgesichert“.

Wie aber bringt man sich nun kurzfristig in einen Anti-Lügen-State? Indem man sich diese Prozesse genau bewusst macht. Indem man schlicht damit beginnt, Gedankenprozesse vom Unterbewusstsein in das Bewusstsein „zu heben“. Dazu ist zunächst Gedanken-Training nötig. State-Control bedeutet, dass man kurzfristig Einfluss auf den (Lügen-)State nimmt. Stellen Sie ihn sich als „Shift“ vor. Ein ganz einfacher Shift – so wie von der Groß- zur Kleinschreibung auf einer Tastatur.

Raus aus der Lügenfalle – Tipps für die Praxis

 

Nehmen Sie sich täglich eine Zwei-Minuten-Auszeit und machen Ihren ganz persönlichen Lügen-Check-up. Schreiben Sie täglich mindestens zwei Fälle auf, in denen Sie gelogen haben (auch wenn es nur kleine Notlügen waren), und wechseln dann in den Wahrheits-State. Überdenken Sie jeweils kurz die Konsequenzen und machen Sie die Ergebnisse für sich selbst so transparent wie möglich. Entwickeln Sie anhand der folgenden drei Fragen Ihren persönlichen Compliance-State, indem Sie sich Ihre Antworten etwa vor jedem Meeting drei Mal durchlesen:

  • Was bedeutet mir persönlich Ehrlichkeit?
  • Heute gelingt es mir, ehrlich zu sein – auch wenn die anderen mich auffordern, „harmlose“ Lügen umzusetzen oder mitzutragen.
  • Seien Sie achtsam bei jeder Entscheidung: Auch kleine Lügen wachsen zu einem riesigen Lügenberg!

 

Vertrauen ist key!

 

Als Führungskraft ist Vertrauen der wichtigste „Lügenverhinderer“. Eine Kommunikationskultur, die auf Vertrauen basiert, macht das Lügen für die Menschen im Unternehmen weniger interessant. Wenn Mitarbeitende z.B. Fehler zugeben dürfen, ohne dass sie eine Strafe befürchten müssen, sinkt die Lügenrate automatisch. In einer gelebten, offenen und vertrauensvollen Unternehmenskultur – also nicht nur auf dem Papier – muss jeder davon ausgehen, mit durchtriebenen Aktionen aufzufliegen, weil die Kollegen und Manager offen miteinander kommunizieren. Damit fällt die Lüge als sicheres Erfolgsinstrument aus. Eine vertrauensvolle Kultur macht Lügen schwieriger und damit weniger wahrscheinlich.

Coaching vermittelt über eine Vielfalt von Ansätzen und Hintergründen wirksame State-Control-Techniken für aufrichtiges Handeln auch unter Druck. So weiß man dank der Neurowissenschaften – die Basis meiner Coachingarbeit – nicht nur, wie unser Gehirn in Krisensituationen funktioniert, sie haben auch ein Verständnis dafür geschaffen, wie unser Verhalten durch gezielte kognitive und non-kognitive Techniken optimiert werden kann. Der Schlüssel dazu liegt in der Neuroplastizität des Gehirns und der regelmäßigen Integration der unterschiedlichen Techniken in den Business-Alltag.