Meine Zündschnur ist einfach zu kurz! Wie ein Vorstand lernte, seine Emotionen in den Griff zu bekommen: 3 Schritte raus aus der ‚Emotionsfalle‘

‚Ich raste ziemlich schnell aus, sobald mir etwas gegen den Strich geht oder ein Mitarbeiter einen Fehler macht. Was kann ich tun, damit ich ruhig bleibe? Ich will das gar nicht - kann mich aber extrem schwer beherrschen – meine Zündschnur ist einfach zu kurz.‘ Mit dieser ungewöhnlich offenen Selbsterkenntnis rief Karl M., CDO in einem Unternehmen aus der Konsumbranche, bei mir an. Er war erst seit kurzem im Unternehmen und hatte sich schon den Ruf des ‚HB-Männchens‘ erworben, der bei jeder Kleinigkeit gleich in die Luft geht. „Der Erwartungsdruck, der auf mir lastet, ist immens hoch,‘ fuhr Karl M. fort. ‚Der kränkelnde Absatz soll möglichst schnell über eine neue digitale Plattform angekurbelt werden. Die Digitalabteilung ist aber noch im Aufbau – viele Themen sind für meine Mitarbeiter neu – da werden dann auch Fehler gemacht. Eine Fehlerkultur gibt es hier aber nicht. Im Gegenteil – die meisten meiner Kollegen propagieren eine ‚Null-Fehler-Toleranz‘ und setzten so die Mitarbeiter zusätzlich unter Druck.‘ Hinzu kamen interne Machtspiele im Unternehmen, die er erst nach und nach erkannte, wer den größten Einfluss im Unternehmen hat, welcher Mitarbeiter auf seinen Posten gelauert hatte u.v.m. ‚Insgesamt eine Situation, die aktuell dazu führt, dass ich immer öfter Dinge sage, die zu einem Konflikt führen oder die ich im Nachhinein sogar bereue. Das möchte ich ändern!“ Er machte deutlich, dass es natürlich auch um die Unternehmenskultur an sich geht. Im ersten Schritt wollte er aber an sich arbeiten und Vorbild sein.

Auszüge aus unserer Coachingarbeit: 3 Schritte raus aus der ‚Emotionsfalle‘ – Wie der CDO lernte nicht auszurasten

‚Sie quälen mich‘ – das war das erste Feedback, das der CDO mir gab als ich mehrfach nachfragte: Was genau ist Ihr Ziel, wenn Sie sagen: Meine Zündschnur ist viel zu kurz. Was möchten Sie stattdessen? Seine erste Antwort: Eine lange Zündschnur. Was genau ist eine lange Zündschnur für Sie? ‚Wenn ich anders reagiere als bisher.‘ Was genau möchten Sie anders machen? ‚Ruhiger halt!‘ Was genau bedeutet für Sie ruhiger? usw. Am Ende der ‚Quälfragestunde‘ stand ein klares Ergebnis: ‚Ich möchte gelassener werden und das heißt für mich, auch in schwierigen Situationen entspannt bleiben und die richtige Entscheidung treffen.‘

  1. Im ersten Schritt ging es darum, dass er sich bewusst machte, welche Gedanken und Situationen genau dazu führen, dass seine Zündschnur reißt. Dazu identifizierte er seine persönlichen Stressauslöser und schrieb sie auf rote Karteikarten. Im Modell der Emotionalen Intelligenz ist die bewusste Selbstwahrnehmung die Voraussetzung dafür, dass man automatische Stressreaktionen auflösen kann und stattdessen gelassen bleibt. Für die Stressauslöser fand er teilweise Lösungen, um sie zu eliminieren und teilweise musste er lernen, entspannter darauf zu reagieren.
  2. Im zweiten Schritt erarbeiteten wir eine Selbstmanagement-Strategie, die er ganz praktisch in schwierigen Situationen einsetzen konnte: Die STOP-Technik. STOP = S-Stop / T-take a breath / O-observe /P-proceed. Das klingt banal, aber die STOP-Technik gehört zu den tools, die gerade in emotional beladenen Situationen starke Wirkung zeigt und inzwischen von vielen Topmanagern erfolgreich genutzt wird.
  3. Im dritten Schritt lernte er die, dass seine kurze Zündschnur (s)eine Entscheidung ist und er lernen kann, sich aktiv dagegen zu entscheiden. Dabei hilft ihm wiederum der Einsatz der STOP-Technik:
  • S – Stop, Innehalten
  • T – take a breath - einmal tief durchatmen
  • O – observe, den Raum zwischen dem Reiz/Trigger, den bspw. ein Mitarbeiter bei ihm auslöste und seiner Reaktion erkennen. Wenn der Raum zwischen Reiz und Reaktion bewusst wahrgenommen wird, genügen dem Gehirn schon 1-2 Sekunden, um Reaktions-Wahlmöglichkeiten auszuloten. Voraussetzung ist, dass man sich kurz aus der Situation heraus’beamt‘ (Stop) und dann die Wahlmöglichkeiten scannt (Observe) und anschließend
  • P – proceed, mit der Entscheidung – z.b. ruhig zu antworten – fortfährt.

Karl M. erkannte, dass er in jeder Situation die Wahl hat: „Ich raste jetzt aus oder ich reagiere gelassen.“ Diese Erkenntnis und die daraus folgende Entscheidung ist der entscheidende Schritt hin zu einer ‚längeren Zündschnur‘. Der Coache wird sich seiner Macht bewusst, dass er seinen Emotionen nicht ausgeliefert ist, sondern jedes Mal bewusst die Reaktion selbst wählen kann.

Zunächst überzeugte ihn u.a. der wissenschaftliche Beleg, dass er über die Atmung sein persönliches Stresslevel maßgeblich beeinflussen kann. Schon bald war es die positive praktische Erfahrung, die er machte, wenn er die die STOP-Technik einsetzte. Atem anhalten – beobachten - tief durchatmen - weitermachen. Je tiefer der Atem desto entspannter der Mensch. Der Atem ist sogar ein Gradmesser für den aktuellen Gemütszustand. Da jeder den eigenen Atem kontrollieren kann, kann man so auch – vorausgesetzt man will - direkt seinen Gemütszustand kontrollieren. Dabei gilt: Tief einatmen (Take a breath) führt zu mehr Gelassenheit und damit Souveränität.

Schritt für Schritt lernte er, stressige Situationen zu erkennen. Das allein war am Anfang oft schon eine Herausforderung und funktionierte zu Beginn nicht jedes Mal, aber mit der Zeit gelang es ihm immer besser, Situationen bewusst wahrzunehmen, mögliche Stress- Auslöser zu identifizieren und seine Reaktion bewusst zu wählen.


Ergebnis: Gefahr erkannt – Gefahr gebannt

Frei nach dem Motto: Gefahr erkannt – Gefahr gebannt nutzte er jetzt die STOP-Technik und spürte, dass sein Körper immer besser entspannte und es so einen Weg für ihn gab, gelassener zu reagieren. Jetzt musste er ‚nur noch‘ die Entscheidung treffen. Er konditionierte seinen Körper mit der STOP-Technik dazu, in stressigen Situationen auf Gelassenheit zu „schalten“.

Wichtigste Erkenntnis, die der CDO am Ende mit mir teilte: „Es gibt nur einen Faktor, der Stress in mir auslöst und dieser Faktor bin allein ich.“

Die neu gewonnene Gelassenheit brachte ihm viel Respekt bei seinen Kollegen und Mitarbeitenden ein. Es gelang ihm zunehmend auch in schwierigen Situationen entspannt zu bleiben und die richtige Entscheidung treffen.