Mehr Souveränität in Meetings

Carola M. hat auf dem Weg zu ihrer aktuellen Position als Direktorin in einem mittelständischen Unternehmen schon viele Herausforderungen überwunden. Ihre jüngste, zu der sie schon häufig Feedback von Kollegen erhalten hat, betrifft ihre unsichere Art, wie sie in Meetings auftritt – vor allem in Meetings mit „ranghöheren“ Kollegen. Da rauscht ihr Selbstbewusstsein in den Keller, innerlich zittert sie wie Espenlaub, oft versagt ihr die Stimme – Botschaften transportiert sie nur zaghaft und sie ist meilenweit entfernt von ihrem eigenen Anspruch, souverän zu wirken.

Im 360 Grad Feedback bekam sie zudem von Kollegen/Vorgesetzten gespiegelt: Du hast das Wissen, aber die Art und Weise, wie es rüberkommt, ist nicht selbstbewusst. In Deiner Position musst Du Souveränität zeigen – auch mal klare Ansagen machen. Ich frage sie: „Wie kommt das Feedack bei Ihnen an und wie gehen Sie damit um?“ Sie erzählt, wie sehr sie das negative Feedback stört, dass sie aber davon überzeugt ist, dass ihre Taten mehr zählen als Worte oder ihr Auftreten aussagen. Ihre Arbeit würde doch für sie selbst sprechen.  

 

Selbstbewusstsein ist keine Handlung

Viele Menschen – häufig übrigens Frauen – bekommen das Feedback „sei selbstbewusster“ oder „tritt mehr bossy auf“. Das Problem: Für Carola M. war dieser gut gemeinte „Ratschlag“ nicht so einfach umsetzbar. Selbstbewusstsein ist keine Handlung – es ist ein Gefühl, das durch Handlungen und Verhaltensweisen entsteht. Die eigentliche Frage lautet also: „Was kann Carola M. tun, damit sie sich selbstbewusster fühlt und dies auch ausstrahlt?“ Um individuelle Maßnahmen, die ihr Selbstbewusstsein stärken, entwickeln zu können, frage ich sie: „Schildern Sie eine Situation, in der Sie sich selbstbewusst gefühlt haben – wie genau sah das aus?“ Carola M. erzählt über Meetings mit Kollegen, die ihr nicht vorgesetzt sind, in denen sie sich selbstbewusst gefühlt hat. „Wenn Sie an so ein Meeting denken, welches Adjektiv beschreibt den Eindruck, den Sie bei den Teilnehmern in diesem Meeting hinterlassen haben?“ Sie sagt, dass Sie bei den „Wohlfühl-Meetings“, wie sie sie nennt, das Gefühl hat, die Kontrolle über die Inhalte zu haben. „Stimmt meine Wahrnehmung, dass Sie bei den anderen Treffen weniger Kontrolle haben?“ Dem stimmt Carola M. voll und ganz zu.

 

Das erste Ergebnis

Es geht also im ersten Schritt weniger um die Frage „Wie kann ich selbstbewusster kommunizieren?“, sondern viel mehr um die Frage: „Wie reagiere ich in Situationen, die außerhalb meiner Kontrolle liegen?“ Im Coaching fanden wir zunächst heraus, wie Carola M. lernen konnte, selbstbewusst zu agieren, auch wenn sie keine Kontrolle über die Situation hat. „In Meetings mit Kollegen auf gleicher Ebene oder den Mitarbeitern aus meinem Team fühle ich mich sicher. Da fühle ich aber auch sehr genau, dass ich die Autorität über die Themen habe und als Expertin anerkannt bin. Das ist ganz klar auf den Inhalt bezogen.“

„Und wie ist Ihr Gefühl in Meetings mit Ihren Vorgesetzten?“ frage ich Carola M. Sie erklärt ausführlich, dass sie dann sehr nervös ist, ihre Stimme wegbricht – worunter sie sehr leidet.

„Welchen Eindruck, wollen Sie stattdessen hinterlassen? Beschreiben Sie detailliert, eine in Ihrer Wahrnehmung ideale souveräne Person.“ Ihre Antwort – die Person muss selbstbewusst und ruhig sein – bringt sie allerdings nicht weiter. Das möchten wir alle in jeder Situation sein. Doch wer ist das schon?

Im Coaching geht es jetzt darum, nicht nur das Gefühl dazu herauszufiltern und zu benennen, sondern auch Carola Ms Handlungen und Verhaltensweisen, die zu diesem Gefühl führen. Gefühle kommen nicht einfach so aus dem Nichts – sie sitzen nicht auf dem Baum und springen einen an. Vielmehr sind sie das Ergebnis unserer Handlungen und Verhaltensweisen. Wir geben diesen eine Bedeutung und daraus entsteht erst das Gefühl. „Welches Gefühl möchten Sie anderen vermitteln und welche Handlungen verbinden Sie damit?“ frage ich Carola M. und möchte, dass sie so herausfindet, welche Handlungen und Verhaltensweisen mit problematischen Meetings für sie verknüpft sind. Sie erkennt, dass diese ganz eng mit ihrer Haltung, ihrem Mindset zusammenhängen.

 

Wie im Spitzensport

Das ist ähnlich wie bei Spitzensportlern. Es gibt die mentale Kondition, d. h. die Einstellung, mit der sie in jeden Wettkampf, jedes Training, jede Übung gehen. Es gibt die fachspezifische Konditionierung, d. h. die Techniken, die der Sportler beherrschen muss, um in der Sportart seiner Wahl erfolgreich zu sein. Und dann gibt es noch die körperliche Konditionierung, d. h. die physische Energie. Nur wenn man in allen drei Bereichen gut aufgestellt ist, kann man Spitzenleistungen erbringen. „Was können Sie tun, dass Sie in der Lage sind, sich in den schwierigen Meetings von Ihrer besten Seite zu zeigen? Ihr Sport sind die Meetings mit ranghöheren Kollegen. Mit welchem Mindset gehen Sie in diese Besprechungen? Was denken Sie über sich selbst und was denken Sie über die Menschen, die an der Besprechung teilnehmen? Was denken Sie über die Menschen in der Situation und den Kontext? Helfen Ihnen diese Gedanken Ihr Ziel – glaubwürdig, ruhig und selbstbewusst auftreten – zu erreichen oder arbeiten diese Gedanken gegen Sie?“

 

Schlüsselfaktor Mindset

Carola M. arbeitet im Laufe des Coachings heraus, dass sie mit einem miserablen Mindset in die Meetings geht, weil sie u. a. schlecht vorbereitet ist. Dazu hat sie teilweise eine schlechte Meinung von den Vorgesetzten und ärgert sich über sie. Außerdem ist sie mit ihren Gedanken oft ganz woanders und hat Panik, dass sie etwas sagen muss. Schon am Abend vorher malt sie sich aus, wie ihre Stimme zittert und sie Panik bekommt. Ich frage sie: „Stellen Sie sich vor, Sie sind Teilnehmer in diesem Meeting in dem Carola M. mit diesem von ihnen geschilderten Mindset am Tisch sitzt. Welche Wirkung hat das auf Sie?“ Carola M. sagt über fast drei Minuten nichts. Es wird ihr bewusst, wie negativ und unsicher die Energie ist, die sie ausstrahlt.

„Welche Einstellung, welches Mindset würde Ihnen helfen, das Meeting mit einem Gefühl der Zuversicht, der Ruhe und der Glaubwürdigkeit zu führen? Welche Vorbereitung wäre am hilfreichsten?“ Vorbereitung ist eine mentale Konditionierung, die ganz eng mit Kontrolle verbunden ist. Über eine intensive Vorbereitung kann sie genau die Kontrolle erzielen, die ihr bislang gefehlt hat. Wir erarbeiten ein Fragenset, das sie bei der Vorbereitung unterstützt:

  • Was will ich sagen?
  • Was sind die Schlüsselbotschaften, die ich vermitteln möchte?
  • Mit welchem Mindset gehe ich ins Meeting?
  • Welche Ergebnisse, möchte ich genau erreichen?

Ein großer Teil des Selbstvertrauens besteht in der optimalen Vorbereitung. So kann sie ein viel selbstbewussteres Mindset konditionieren. Das ist der erste Schritt hin zu mehr Souveränität – bevor sie den Raum zum Meeting betritt. Im zweiten Schritt arbeiten wir an der Konditionierung ihrer Kommunikations-Fähigkeiten und im dritten Schritt ging es dann um die körperliche Konditionierung. Die physische Energie, die sie z. B. über die zittrige Stimme in Meetings ausstrahlt.

Wie in Carola Ms Fall sollte man damit beginnen, das Mindset zu hinterfragen, das zur Unsicherheit geführt hat und dann sicherstellen, dass die Art und Weise, wie man kommuniziert und welche physische Energie man ausstrahlt, mit dieser Wirkung übereinstimmt.

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