Laut, lauter, am lautesten – werden Sie tatsächlich nur so gehört? Wie auch „leise“ Menschen jederzeit Gehör finden

„Ich habe gerade ein Déjà-vu. Es ist unfassbar. Schon wieder hänge ich in einer politischen Gemengelage. Schon wieder werde ich ewig beschossen. Das war schon so auf meinen letzten beiden Positionen als Partner einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft – das ist jetzt wieder so. Ich habe das Gefühl, nur die am lautesten schreien werden gehört. Ich bin aber nicht der Marktschreier – ich bin einfach zu leise. Bin eher ruhig, höre mir die Dinge an und dann mache ich meine Punkte. Alle sind nur mit sich selbst beschäftigt – können nicht führen – vertrauen nicht. Ich glaube, dass wie ich es mache, ist es richtig.“

Neue Perspektiven: Die Zeit der Leisen kommt

Die Karten liegen auf dem Tisch. Wir starten mit dem Thema: „Ich bin zu leise.“ Meine erste Frage lautet: „Wenn Sie ‚zu leise‘ in der Musik beschreiben sollten – welche Assoziationen fallen Ihnen spontan ein?“ Tobias M. denkt nach und fragt nach: „Na ja zu leise, ist zu leise – was soll man daran ändern? Höchstens lauter werden und das will ich ja nicht!“ „Ok – lauter werden – wie gelingt es, dass z. B. ein Musikstück, das Sie gerade hören, lauter wird?“ „Mit dem Lautstärkeregler…“ "Was noch?" Nach 15 Minuten hatte Tobias M. viele Perspektiven zum Thema „zu leise“ gefunden. Auf den Karten stand: „Lautstärkeregler, Rock-Musik, Klassische Musik, Balladen, Andante, piano, pianissimo, forte, fortissimo u.v.m.“ Tobias M. wurde klar, dass „leise“ in der Musik viele Variationen hat und, dass leise Musik vor allem Aufmerksamkeit erfordert. In klassischen Konzerten lauschen die Zuhörer auch einem pianissimo – genauso wie dem fortissimo. Die Qualität von Musik ist dabei unabhängig von der Lautstärke. In einem voll besetzten Konzertsaal kann man eine Stecknadel fallen hören und jeder hört dem pianissimo mit voller Aufmerksamkeit zu. Genauso wie Musik hat auch jeder Mensch die Möglichkeit, mit leisen Tönen zu punkten. Entscheidend ist die innere Souveränität und nicht die äußere Tonalität.

Zur Entdeckung seiner inneren Souveränität vereinbarten wir im nächsten Schritt einen LINC Personality Profiler, der auf Basis der Big Five maßgebliche Determinanten der Charaktereigenschaften sichtbar macht. Hier wird deutlich, dass unterschiedliche Bereiche der Big Five jeweils einen Einfluss auf verschiedene Aspekte der Souveränität haben. Interessant ist dabei auch immer ein etwas tieferer Blick auf die Facetten, die unter den großen fünf Persönlichkeitsdimensionen liegen und diesen zugeordnet sind. Menschen mit einer hohen Introversion können bspw. eine hohe Ausprägung in der Facette Dominanz haben und dazu neigen Führungspositionen anzustreben, wie Tobias M. Zu wissen, dass Dominanz ein Teil von ihm ist, kann ein großer Booster für seine Souveränität sein. Das Wissen über die eigenen Coping-Strategien und Charakterstile kann helfen, vergangene Verhaltensweisen (ob erfolgreich oder nicht) besser einzuordnen und daraus konkrete Schlüsse für die derzeitige Situation zu ziehen. Zum anderen entwickeln wir im Coaching auf der Basis dieser Erkenntnisse individuell zu seiner Persönlichkeit passende Handlungsstrategien, um auch mit leisen Tönen gehört zu werden.

Das tägliche Pianissimo – ACT-REFLECT-ACT

Die Erkenntnis, dass leise Töne gehört werden, war nur der erste Schritt für Tobias M. Der Erfolg kam dann durch HANDELN. Er reflektierte täglich 2 Minuten – mit dem Fokus auf seine „Lautstärke“:

  • ACT: Was habe ich heute Neues ausprobiert? „Meinen neuen persönlichen Lautstärkeregler.“
  • REFLECT: Wie ist das gelaufen? „Wenn ich bewusst leise gesprochen habe und mit meiner inneren Haltung Zuhören eingefordert habe, hat das tatsächlich gewirkt.“
  • Was ist das Nützlichste, was ich heute gelernt habe? „Dass ich selbst Einfluss auf die Lautstärke habe und auch auf die Wirkung.“
  • ACT: Welche eine Sache werde ich morgen tun, um meine Komfortzone auszudehnen? „Ein Konfliktgespräch, das ansteht, bewusst mit einer kraftvollen pianissimo-Stimme führen.“

Sein jahrelanges, leises „Leiden“ aus einer neuen Perspektive zu betrachten, war für Tobias M. der „eye opener“. Vor dem Coachingprozess hatte er „leise“ gleichgesetzt mit nicht hörbar. Durch das Coaching erkannte er, dass „leise sein“ viele Perspektiven beinhaltet, die ihn in die Lage versetzen, jederzeit Gehör zu finden.