Klarheit vor Tempo - so endet Transformation nicht im Chaos

In der Coachingarbeit mit Unternehmern erlebe ich es immer wieder: Der größte Hebel für Veränderung liegen nicht in der Strategie oder Struktur – er liegt in der Kommunikation. So auch in einer intensiven Coaching-Session mit dem Eigentümer eines erfolgreichen mittelständischen Unternehmens, das vor der größten Transformation seiner Geschichte stand. Unsere gemeinsame Reise begann mit einer einfachen und zugleich tiefgreifenden Frage: „Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Kommunikation der anstehenden Veränderung gerecht wird?“ Er zögerte. Dann antwortete er: „Ich glaube, wir reden viel – und frage mich gleichzeitig: Hören wir wirklich zu? Und: Wird auch verstanden, was wir meinen?“ Genau an diesem Punkt setzten wir an.

Reflexion mit Konrad Lorenz: Kommunikation beginnt beim Zuhören

Wir arbeiteten zu Beginn unserer Coachingreise mit dem Kommunikationsmodell „Das Desaster der Kommunikation“ von Konrad Lorenz. Das Modell zeigt auf, dass Kommunikation nicht beim Denken endet („Ich habe gedacht, dass ich gesagt habe und du gehört hast“ etc.), sondern dann, wenn mein Gegenüber nachhaltig das umsetzt, was ich ‚gedacht – gesagt‘ habe. „Ich habe gedacht, dass ich gesagt habe, dass …“ – dieser Satz fiel oft in unserem Gespräch. Doch die entscheidenden Fragen sind andere: Wurde es gehört? Wurde es verstanden? Ist mein Gegenüber einverstanden – und bleibt es auch dabei?

Der Unternehmer stellte fest, dass genau hier viele Missverständnisse in seiner Kommunikation – insbesondere in der Zusammenarbeit mit seinen beiden Geschäftsführern und Mitarbeitenden – entstanden. Seine Einsicht: „Ich dachte, ich kommuniziere klar. Wenn ich genau draufschaue, habe ich nie überprüft, ob das, was ich sage, auch wirklich ankommt – ich wundere mich nur immer wieder, dass die Menschen es nicht umsetzen.“

Daraus leitete sich für ihn eine neue Haltung ab: In kritischen Gesprächsmomenten will er künftig gemeinsam mit seinem Gegenüber reflektieren, wo genau sie gerade in der Kommunikation stehen – und ob es einen Bruch gab.

Change braucht einen Dreiklang: Klarheit, Transparenz und Erwartungen

Im zweiten Schritt analysierten wir gemeinsam die Anforderungen an die bevorstehende Transformation. Ich stellte ihm die Frage: „Was passiert, wenn Entscheidungen zu schnell getroffen werden, während Inhalte, die unklar sind, überwiegen?“

Er antwortete zunächst pragmatisch: „Wir entscheiden dann oft einfach erst mal – unternehmerisch eben. Damit es losgeht. Auch, wenn wir noch keine verbindlichen Aussagen treffen können.“ Ich hakte nach: „Was macht das mit ihren Mitarbeitenden, wenn sie das Gefühl haben, weder Klarheit noch Verbindlichkeit zu haben?“

Da wurde ihm etwas bewusst. „Dann entsteht Unruhe – und am Ende auch Unsicherheit.“ „Und wozu führt Unsicherheit?“, will ich von ihm wissen. „Na ja – wie Sie immer sagen: Verunsicherte Menschen sind nicht in der Lage, ihr Potenzial abzurufen und reagieren oft irrational.“ Ein kurzer Moment des Innehaltens folgte, dann die Erkenntnis: „Wenn wir nur aufs Tempo schauen und nicht auf Klarheit, dann führt das zwangsläufig ins Chaos.“

Genau daraus entstand der zentrale Gedanke für die Reorganisation: Klarheit vor Tempo!

Ich empfahl ihm den folgenden Dreiklang:

  1. Klarheit schaffen – u.a. durch präzise Rollenprofile für die neuen Verantwortungsbereiche und Entscheidungsmatrizen.
  2. Transparenz leben – durch frühe, ehrliche Kommunikation auch bei Unsicherheiten.
  3. Erwartungen formulieren – insbesondere seine oft unausgesprochene „Hidden CEO-Agenda“ („Ich habe gedacht, gesagt zu haben …“).

Den Elefanten im Raum vorstellen: Unsicherheit

Als sein Sparringspartner war es meine Aufgabe, durch gezielte Fragen Reflexion auszulösen. Also rückte ich im weiteren Gespräch die Frage nach Kommunikation in Veränderungsphasen in den Mittelpunkt: „Wie kommunizieren Sie als Unternehmer die Unsicherheit, die der Wandel mit sich bringt?“

Er antwortete schnell: „Na ja – ich versuche, das nicht zu sehr zu zeigen. Ich will ja Sicherheit ausstrahlen.“

Ich erwiderte: „Verständlich. Aber: Wenn Sie Unsicherheit nicht zeigen – glauben Sie, sie verschwindet dann?“

Er lachte trocken. „Wohl kaum. Die Leute spüren sie ja trotzdem. Zumal mein Board oft eher pessimistisch kommuniziert und ja selbst teilweise noch verunsichert ist.“ Dann wurde er ernst. „Vielleicht ist das genau das Problem: Ich spreche nicht aus, was ohnehin alle denken. Das ist wieder typisch für mich. Ich habe ja durch den LINC Personality Profiler*, den ich mit Ihnen gemacht habe, gelernt, dass ich sehr innenorientiert bin – die Dinge immer mit mir selbst ausmache. Hier merke ich, wie es wirkt.“

So kamen wir zum Bild des Elefanten im Raum – der Unsicherheit, die unausgesprochen im Raum steht. Er sagte: „Ich glaube, ich muss viel öfter sagen: ‚Ja, es gibt Dinge, die wir heute noch nicht wissen. Aber wir gehen sie an.‘“

Wir formulierten gemeinsam neue Narrative:

  • „Der Change ist eine große Chance.“
  • „Wir sind voller Vorfreude, mit euch gemeinsam die Zukunft zu gestalten.“
  • „Transparenz ist unsere Strategie – nicht unsere Schwäche.“
  • „Unsicherheit gehört dazu – auch für uns als Führung.“
  • „Wir bieten Orientierung, auch wenn nicht alle Details final sind.“

Das Q&A-Format für mehr Klarheit

Ich schlug vor, ein zentrales Q&A-Format zu schaffen – als Raum für Fragen, Unsicherheiten und ehrlichen Austausch. Seine Reaktion: „Das wäre ein starkes Zeichen. Nicht vorzugeben, als hätten wir alles im Griff – sondern zeigen, dass wir ansprechbar sind.“ In der Organisation wird nun ein zentrales Q&A-Format implementiert – ein Postfach für Fragen, das Orientierung schaffen soll. Ein starkes Signal: „Wir hören euch.“

Besonders beeindruckend war seine Erkenntnis, dass der Wandel nicht durch Kontrolle, sondern vielmehr durch Zutrauen und Einladung zur Mitgestaltung gelingt. Und: Statt Druck aufzubauen, sollen das Board und die Organisation eine klare, mutmachende Botschaft erhalten: „Es wird herausfordernd – und wir haben es im Griff.“

Fazit: Kommunikation ist kein „Soft Skill“ – sie ist der wirksamste Hebel für Transformation

Diese Coaching-Session zeigte eindrucksvoll: Der Wandel beginnt nicht bei den Strukturen, sondern vor allem in der Haltung. Nicht beim Organigramm, sondern mit der Kommunikation. Nicht bei den Maßnahmen, sondern in der gemeinsamen Geschichte, die wir über den Wandel erzählen. Als sein Sparringspartner war es nicht mein Ziel, Antworten zu geben, sondern die richtigen Fragen zu stellen. Denn genau darin liegt die Kraft, mit der Unternehmen ihre Zukunft gestalten – gemeinsam, klar und mit Vertrauen.

Take-away für Change-Leader:

  • Reflektieren Sie nicht nur, was Sie gesagt haben – sondern was beim Gegenüber angekommen ist.
  • Sorgen Sie für Klarheit, bevor Sie auf Tempo setzen.
  • Führen Sie mit Haltung – nicht mit Angst.

Wenn auch Sie in einer entscheidenden Phase Ihres Unternehmens stehen und sich fragen, wie Sie den Wandel mit Klarheit und echter Beteiligung gestalten: Sprechen Sie mich gerne an. Gemeinsam finden wir die richtigen Worte – und Wege.

(*LINC Personality Profiler - Ein wissenschaftlich fundiertes Instrument der Persönlichkeitsdiagnostik, das individuelle Motive, Charaktereigenschaften und Kompetenzen beleuchtet, das Basis für alle meine Coachingprozesse ist.)