Ist ihr Leben auch sinnlos?

„Welche Erfolge in Ihrem Leben können Sie verbuchen?“ Auf Antworten muss ich in meinen Coachings meist nicht lange warten. Ich treffe oft auf Menschen, die auf eine hervorragende Karriere zurückblicken. Was sie im Beruf erreicht haben, können sie spontan beantworten. Schwieriger ist die Frage: „Welchen Sinn haben Sie im Leben?“ Schweigen – ist hier die häufigste Antwort.

Auf der Jagd nach dem Erfolg am Glück vorbei

In der Konzernwelt Karriere zu machen, bedeutet im Normalfall, sich voll und ganz den geltenden Erfolgsregeln zu unterwerfen: Ein guter Manager ist ein erfolgreicher Manager und Erfolg bedeutet in den meisten Konzernen immer noch, Gewinn zu machen. Über die Jahre haben Topführungskräfte die Gleichung verinnerlicht und beurteilen auch sich selbst nach Position, Einkommen oder Einfluss. Das Einkommen steht dabei ganz weit oben.

Den eigenen Erfolg am Einkommen zu messen, ist nach wie vor so selbstverständlich, dass Karrieremenschen oft lange übersehen, dass es noch ein anderes Ziel geben könnte – den Sinn oder neudeutsch: Purpose. Erst wenn der Körper Alarm schlägt oder psychische Probleme den Alltag bestimmen, beginnt – im Idealfall – die Ursachenforschung.

Gelebte Werte sind eng verbunden mit der Sinnhaftigkeit des Tuns – des Bewusstseins (oder Bewusstwerdens) des eigenen Lebens – und Arbeitszielen. Führungskräfte, die bezüglich ihrer Werte und der Sinnhaftigkeit im Flow sind, erzielen auch bei ihren Mitarbeitern hohe intrinsische Motivation, die das Zeug zum Flow hat. Für Mihaly Csikszentmihalyi, Professor der Positiven Psychologie an der Universität Chicago, ist Flow ein Zustand, bei dem man in seiner Tätigkeit voll aufgeht. Dabei gilt: Wirklich für ihre eigenen Ziele entschiedene Führungskräfte und Mitarbeiter wachsen über sich hinaus.

Für die Beurteilung der Wachstumschancen eines Unternehmens ist eben nicht allein die Kapitalbilanz ausschlaggebend. Klar brauchen Unternehmen Kapital, um zu investieren und neue Märkte zu erschließen. Auch – oder besser vor allem – Innovation und Disruption brauchen neben Mut natürlich auch Kapital. Mindestens genauso maßgebend für langfristigen Erfolg sind allerdings die Mitarbeiter und deren Potenzial. Die Förderung einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung beginnt mit dem Mindset der handelnden Personen und nicht allein mit der von Produkten und Marktleistungen.

Das wussten sogar schon die Wirtschaftswissenschaftler im 19. Jahrhundert. Wirtschaftswissenschaften und Philosophie gingen damals oft Hand in Hand. Viele Ökonomen waren gleichzeitig auch Philosophen. Adam Smith beispielsweise, der Begründer der modernen Wirtschaftswissenschaften, hatte Glück bereits ganz oben auf seiner Agenda – für ihn zählte das ‚innere Glück’ vor dem Geld: „Der Bettler, der sich am Wegesrand sonnt, hat eine Zufriedenheit, für welche die Könige kämpfen müssen.“

Persönliches Glück, gute Beziehungen und Beiträge zur Gesellschaft geben sich die Hand

Heute arbeiten immer mehr Unternehmen intensiv daran, den ‚Purpose‘ zu finden, den Flow in Unternehmen salonfähig zu machen – gerade in der aktuellen Zeit ist die Herausforderung allerdings besonders groß. Die Corona-Situation schürt Ängste – für Flowmomente scheint da wenig Platz. Erschöpfung und Sinnleere sind verbreitete Erscheinungen, die gerade in der Corona-Zeit doppelt belastend wirken, da die kurzfristige Perspektive für viele abhandengekommen ist. „Wir hangeln uns von Lockdown zu Lockdown. Diese Perspektivlosigkeit lähmt uns alle“, sagte mir ein Klient letzte Woche. Burnout und Depression sind immer öfter alltägliche Krankheitsbilder und Psychopharmaka häufige Wegbegleiter.

Den Sinn im Leben finden – Gewinn für Sie und Ihr Unternehmen

Meine Erfahrung nach über zwanzig Jahren Gesprächen mit Vorständen, Unternehmern – kurzum: Allen ‚Why-Workshops‘ zum Trotz – in Führungskräfte-Etagen ist auch heute noch das weit verbreitete Ziel und die Erwartung, die eigene Position und das Einkommen immer weiter zu optimieren. Die Sinnfrage bleibt – meist zu – lange auf der Strecke. Mit zunehmendem Alter spürt ein großer Teil der bis dahin Karrieregetriebenen dann allerdings, dass es noch mehr gibt als Macht und Erfolg – das eigene Glück nämlich. Manchmal liegt es an der persönlichen Motiv-Struktur. Manchmal verschieben sich die Werte. Die Erkenntnis ist immer dieselbe: Nicht erfolgreiche Menschen sind glücklich – sondern glückliche Menschen sind erfolgreich. Das Glück steht – wenn’s ums Wohlbefinden geht – also immer an erster Stelle. Meine Hauptaufgabe im Coaching ist es dann, mit dem Klienten herauszufinden: Was motiviert ihn? Was macht Sinn in seinem Leben? Möchte er in erster Linie Erfolg oder stehen soziale Beziehungen im Vordergrund? Ordnet er seinem Bestreben nach Erfolg im Leben sein inneres Bedürfnis nach persönlichem Wachstum unter? Wie definiert er Sinn?

Es bewegt mich zu sehen, wie wertvoll es ist, wenn Top Manager ihr Hamsterrad verlassen und sich erlauben, die Sinnfrage in den Fokus zu nehmen. Die Angst, mit ihren persönlichen Zielen nicht ernst genommen zu werden, hat sie oft jahrelang zurückgehalten, der Sinnfrage nachzugehen oder ‚Flow‘ für sich selbst zu entdecken. Doch wenn sie sich dann im Coaching ihren Lebenszweck bewusst machen, entsteht eine Klarheit, die Orientierung und Struktur im Leben schafft und Raum für Neues. Dann gelingt es, die eigenen Potenziale zu entfalten und mit Leidenschaft das zu tun, worin sie einen Sinn sehen.

Den Sinn im Leben finden wir, indem wir z.B. unsere Motivationsstruktur ergründen und lernen, diese in den Alltag einzubinden. Der LINC Personality Profiler, den ich mit meinen Klienten im Coaching erarbeite, macht diese Motivstrukturen sichtbar und legt damit die optimale Basis die Sinnfrage zu beantworten.

Gönnen Sie sich die Muße und die Zeit, Ihren Sinn zu entdecken und ihn zu leben. Für Ihr persönliches Glück können Sie nichts Besseres tun. Egoismus brauchen Sie nicht zu fürchten: Fast immer bedeutet ein persönlicher Entwicklungsschritt auch einen Gewinn für Ihre Umgebung.