Ich dachte ich bin…

„Das Ziel bei meinem alten Arbeitgeber war nur Leute totzubeißen bzw. runter zu knüppeln. Ich bin von der Kultur, in der ich zwanzig Jahre gearbeitet habe, extrem konditioniert. Deshalb dachte ich, ich sei wettbewerbsorientiert – dabei bin ich es gar nicht!“

Das war die Kernerkenntnis meiner Klientin – ein echter Eyeopener nachdem wir ihre Ergebnisse des LINC Personality Profiler analysierten hatten.

Wie alles begann

Der Coachingauftrag lautete: „Wie schaffe ich es, auch ‚Schaumschlägern‘ selbstbewusst zu begegnen und meine Wettbewerbsorientierung rüberzubringen?“ Im ersten Schritt machte Monika R. den LINC Personality Profiler, das Online-Persönlichkeitstool, das ein sehr differenziertes Profil von Charaktereigenschaften, Motiven und Kompetenzen erstellt. Die individuellen Ergebnisse ermöglichen ihr einen völlig neuen und detaillierten Blick auf ihre eigene Persönlichkeit und werden so – in Verbindung mit dem Executive Coaching – zum Ausgangspunkt für echte, nachhaltige Weiterentwicklung.

Ein Ergebnis aus dem LPP, von dem sie zunächst komplett überrascht war, war die hohe Ausprägung ihrer Kooperations-Eigenschaften. „Ich bin sehr wettbewerbsorientiert unterwegs. Wie sonst sollte ich es in einer klassischen Männerwelt bis zum Vorstand geschafft haben? Hier liegt der LPP nicht richtig, meiner Einschätzung nach.“ Wir schauten uns ihre Ergebnisse näher an. Wettbewerbsorientierung? Fehlanzeige. Tatsächlich hatte sie eine sehr starke Ausprägung bei der Kooperation.

 

Die Analyse

Die Facetten, die zu dem Charakter-Paar „Kooperation-Wettbewerb“ gehören sind im Einzelnen:

  • Vertrauensorientierung – Soziale Skepsis
  • Freimütigkeit – Strategische Kommunikation
  • Altruismus – Selbstfürsorge
  • Nachgiebigkeit – Geringe Nachgiebigkeit
  • Bescheidenheit – Positive Selbstdarstellung
  • Empathie – Soziale Rationalität

Wettbewerbsorientierte Personen zeigen v.a. hohe Ausprägung auf der rechten Seite der Facettenpärchen. Sie legen den Fokus in sozialen Beziehungen nicht auf eine besonders ausgeprägte Harmonie oder ihre Beliebtheitswerte bei den anderen Teammitgliedern. Stattdessen vertreten sie zunächst einmal ihre Interessen und Ziele. Dies bedeutet nicht, dass sie andere grundsätzlich übervorteilen, sie stellen ihre Bedürfnisse nur einfach nicht hinter denen der anderen zurück oder verlassen sich auf andere, sondern sorgen persönlich dafür, dass ihre Interessen Beachtung finden. Ein fairer Wettstreit ist ihnen dabei allemal lieber als ein aus ihrer Sicht halbgarer Kompromiss.

In dieser Beschreibung fand sich Monika R. gar nicht wieder. Im Gegenteil. Sie konnte sich sehr gut wiederfinden bei den kooperativen Eigenschaften: Menschen mit einer ausgeprägten Kooperationsorientierung werden i.d.R. als sehr umgänglich und wohlwollend anderen gegenüber wahrgenommen. Sie sind hilfsbereit, unterstützend und kompromissbereit und haben eine Tendenz, anderen Personen zu vertrauen und Gutes von ihnen zu erwarten. Sie haben ein hohes Maß an Hilfsbereitschaft, sind kompromissbereit und eher konfliktscheu etc.

Lediglich bei den beiden „Pärchen“ Nachgiebigkeit – Geringe Nachgiebigkeit/Bescheidenheit – Positive Selbstdarstellung zeigte sie auch eine Neigung zur Wettbewerbsorientierung.

 

Hier Ihre Kommentare aus dem Coaching:

Nachgiebigkeit – Geringe Nachgiebigkeit: Ich kann durchaus meinen Standpunkt verteidigen – bin dann aber auch jederzeit kompromissbereit – das ist in der Balance.

Bescheidenheit – Positive Selbstdarstellung: Ich muss nicht unbedingt im Mittelpunkt stehen, es stört mich aber auch nicht. Jederzeit kann ich auf meine Erfolge verweisen – protzen ist aber nicht mein Ding. Ein Mittelwert passt total.

 

Soweit die „Mittelwerte“. Bei den anderen Eigenschaftspaaren lag der Ausschlag klar in Richtung Kooperation.

Vertrauensorientierung ist für mich die Basis der Zusammenarbeit. Ich schütte erstmal einen Eimer Vertrauen aus, wenn ich Menschen begegne und gehe grundsätzlich erstmal vom Guten im Menschen aus. Das passt für mich!

Freimütigkeitauch hier finde ich mich wieder. Ich kommuniziere immer ohne Hintergedanken und teilen offen meine Meinung mit anderen. Das ist mir sehr wichtig!

Auch der hohe Wert bei Altruismus geht für mich in Ordnung. Ich bin jemand, der sehr um das Wohlergehen anderer besorgt ist und kümmere mich auch jederzeit ohne Aufforderung. Man nennt mich auch ‚Mutter Theresa‘.

Empathieja das bin ich, das ist meins. Ich empfinde die Gefühle anderer Menschen selbst nach, und treffe auch meine Entscheidungen auf Grundlage dieses ‚Mitfühlens‘ – manchmal nehme ich zu starken Anteil am Schicksal meiner Mitmenschen. Jedenfalls kommen immer alle zu mir und weinen sich aus.

 

Die Erkenntnis

„Ich bin tatsächlich von meinem Charakter her gar nicht wettbewerbsorientiert, sondern sehr kooperativ. Deshalb agiere ich auch immer aus der Schwäche heraus, wenn ich auf ‚Schaumschläger‘ treffe. Ich muss aufpassen, dass ich nicht in meine eigene Kooperationsfalle tappe!“ Monika R. hatte im Business eine sogenannte Persona ausgebildet. Wir alle haben eine Kernpersönlichkeit – unser individuelles Persönlichkeitsprofil hinsichtlich Charaktereigenschaften, Motiven und Kompetenzen. Allerdings können wir diese Persönlichkeit natürlich nicht in jeder Situation und in jedem Lebensbereich zu einhundert Prozent ausleben. Vielmehr passen wir uns unserer Umgebung zu einem gewissen Grad an, um erfolgreich zu handeln. Wenn wir das über einen längeren Zeitraum in einem bestimmten Bereich – z. B. an unserem Arbeitsplatz – tun, bilden wir eine sogenannte Persona aus, die sich wie eine Maske über unsere Kernpersönlichkeit legt…“, schreibt Dr. Ronald Franke (LINC-Institute) dazu in seinem Blog. Eine Persona war genau das, was Monika R. ausgebildet hatte über die Jahre mit der Folge, dass sie ständig gestresst und unzufrieden war.

 

Die Lösung

Monika R. entwickelte folgenden Actionplan, als erstes Maßnahmenpaket, um ihr Ziel zu erreichen:

  1. Arbeiten an meiner Wettbewerbsorientierung. Entdecken und benennen neuer Verhaltensweisen. Ich will wettbewerbsorientierter werden – jeden Tag ein bisschen höher klettern. Z. B. meine ohnehin vorhandene Unnachgiebigkeit ausbauen im Gespräch mit anderen und meine positive Selbstdarstellung professionalisieren und mir so bei den ‚Schaumschlägern‘ Respekt erarbeiten.
  2. Informieren: Meine Mitmenschen aktiv und transparent über meine hohe Vertrauensorientierung informieren und ihnen gleichzeitig signalisieren, dass der Vertrauenseimer zwar gefüllt ist, mein Vertrauen aber auch mit klaren Erwartungen verknüpft ist und ich den Eimer nicht endlos nachfülle.
  3. Die Erkenntnis aus dem LPP – meine hohe Leistungsorientierung und Prinzipienorientierung & meinen Enthusiasmus – nutzen und aktiv beginnen, die Menschen für meine Ideen/Konzepte zu begeistern bzw. sie nachhaltig mit ins Boot zu nehmen. So baue ich Stärke auf, die gleichzeitig auf eine höhere Wettbewerbsorientierung einzahlt.

Vor allem die Erkenntnis, dass Sie jahrzehntelang wettbewerbsorientiert sozialisiert worden war von ihrem alten Arbeitgeber und darüber eine Persona ausgebildet hatte, faszinierte Monika R. Viele Jahre hatte sie in verantwortlicher HR-Position gegen die Kultur des „Totbeißens & Runterknüppelns“ gekämpft und schlussendlich mit der Kündigung das Handtuch geschmissen. Über den LPP schwarz auf weiß zu sehen und im Executive Coaching zu erspüren, wer sie „wirklich“ ist, brachte ihr zusätzliches Selbstbewusstsein. 

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