Hör‘ endlich zu! 5 Gründe, woran Sie erkennen, ob Sie ein schlechter Zuhörer sind!

„Ich bin immer noch total erstaunt. Seitdem ich gelernt habe zuzuhören, lösen meine Mitarbeiter ihre Probleme weitaus eigenständiger! Außerdem fasziniert mich, dass ich jetzt viel besser ‚zwischen den Zeilen‘ lesen kann und Schwingungen erkenne, die mir früher komplett entgangen wären. Das ist extrem wertvoll für die Beziehungsebene – gerade jetzt in dieser virtuellen Zeit und steigert dazu die Effektivität in der Zusammenarbeit.“

Das war das Feedback nach einem Intensivtag mit einem Vorstand aus der Automobilbranche. Am Anfang stand – im Sinne der Emotionalen Intelligenz – die Selbstwahrnehmung der eigenen Zuhörgewohnheiten. Sein langjähriges Muster war schnell klar. In den ohnehin zeitlich kurzgefassten Terminen hatte jeder seiner Gesprächspartner eine klare Vorgabe: Das jeweilige Problem musste der Mitarbeiter in max. 5 Sätzen schildern und dann präsentierte der Vorstand die Lösung. Zuhören – Fehlanzeige. Schnell denken, „das mache ihm Spaß und außerdem – so sei er überzeugt – kostet Zuhören nur unnötig Zeit.“ „Die Zeit habe ich gar nicht, Frau Segschneider. Draußen wartet ja schon wieder der nächste Gesprächspartner.“

Im Coaching analysierten wir sein Verhalten, entwickelten neue Perspektiven und vereinbarten am Ende des Tages, dass er sein „Hörmuster“ für eine Woche in ein „Zuhörmuster“ verwandelt. Eine Woche lang hörte er still zu, ließ den Mitarbeiter ausreden, fragte nach und umschrieb manchmal, was ihm gesagt wurde. Was ihn zunächst total erstaunte: Die Mitarbeiter begannen, im Gespräch mit ihm, selbst mögliche Lösungen zu entwickeln.

„Mir wurde klar, dass ich es gar nicht erst zugelassen habe, dass andere Vertrauen aufbauen, indem ich immer sofort meine Ratschläge gab. Ich bin total erstaunt, dass die meisten Mitarbeiter, wenn sie mit einem Problem zu mir kommen erstmal nur möchten, dass ich ihnen zuhöre und dann vor allem eigene Lösungen präsentieren.“

Zuhören als Erfolgsfaktor Führung

Gute Zuhörer führen Teams erfolgreicher. Das mag manch einen überraschen, denn die Vorstellung, dass Zuhören eine wichtige Managementfähigkeit ist, ist für viele noch immer ungewohnt. Kommunikation als Leadership-Fähigkeit ist dagegen ein Konzept, das jeder kennt. Doch von all der Zeit, die wir mit Kommunikation verbringen, verbringen wir die meiste Zeit mit Zuhören.

Wenn wir über Zuhören nachdenken, neigen wir zu der Annahme, dass es im Grunde dasselbe ist wie Hören. Das ist ein gefährliches Missverständnis, denn es lässt uns glauben, dass effektives Zuhören instinktiv ist. Infolgedessen geben wir uns wenig Mühe, Zuhörfähigkeiten zu erlernen oder zu entwickeln, und vernachlässigen so eine wichtige Kommunikationsfunktion.

Zudem schaffen wir uns unnötige Probleme. Nicht zuhören führt häufig zu Missverständnissen, verletzten Gefühlen, falschen Anweisungen, dem Verlust wichtiger Informationen, Frustration u.v.m.

Zuhören ist eben nicht instinktiv, sondern eine aktive Tätigkeit. Es ist ein weitaus anspruchsvollerer mentaler Prozess als Hören. Zuhören erfordert Energie und Disziplin. Die gute Nachricht: Zuhören kann jeder lernen. Der erste Schritt ist die Erkenntnis, dass effektives Zuhören ein aktiver und kein passiver Prozess ist. Ein geübter Zuhörer sitzt nicht einfach nur da und lässt das Zuhören geschehen.
Hier sind die fünf häufigsten Gründe, woran Sie erkennen, ob Sie ein schlechter Zuhörer sind:

  1. Verurteilung: Schalten Sie in Gesprächen gerne ab und sind beschäftigt mit Ihren Gedanken/Bewertungen/Urteilen über die Person, die gerade spricht bzw. mit Ihren eigenen Gedanken bzw. Gefühlen in Bezug auf das Thema?
  2. Vorbereitung: Denken Sie, während Ihr Gegenüber spricht darüber nach, was Sie als nächstes sagen möchten, welches Argument Sie bringen könnten? Zuhören ist mehr als nur darauf zu warten, dass Sie an der Reihe sind, um zu antworten. Viele Menschen sind abgelenkt, wenn sie planen, was sie als Nächstes sagen werden.
  3. Ablenkung oder Tagträume: Wird Ihre Aufmerksamkeit auf Leute gelenkt, die vorbeilaufen oder denken Sie vielleicht darüber nach, welche Sitzung als nächstes ansteht, oder werfen Sie kurz mal einen Blick auf E-Mail-Benachrichtigungen, die auf Ihrem Bildschirm erscheinen?
  4. Spontane Verbindung: Stellen Sie eine Verbindung zu dem her, was die andere Person sagt? Vielleicht hören Sie das Problem, über das die andere Person spricht, und es erinnert Sie so sehr an eine Situation, mit der Sie konfrontiert waren, dass Sie Ihre ganze Aufmerksamkeit darauf richten, wie Sie reagiert haben, um die Herausforderung zu lösen.
  5. Filter: Nehmen Sie die Inhalte nur durch Ihre „Linse“ oder Ihren Filter (Einstellung, Überzeugung oder Erfahrung) wahr und hören Sie nur das, was Sie hören wollen?

Zuhören trainieren

Zuhören kann jeder Mensch trainieren. Im Sparring oder Coaching analysiere ich mit meinen Klienten zunächst deren Zuhörmuster. Im nächsten Schritt entwickeln wir einen Actionplan, wie sie Zuhören schrittweise in ihren Alltag integrieren. Eine Einstiegs-Übung lautet: Nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit, und überlegen Sie, wie Sie es schaffen können, den wichtigsten Grund, der Sie am guten Zuhören hindert, selbst zu überwinden. Wenn Sie z.B. abgelenkt werden, weil Sie sich auf Ihre nächsten Wortbeitrag vorbereiten (Grund 2), könnten Sie sich darauf konzentrieren, der anderen Person zuzuhören und das, was Sie verstanden haben, zurückspiegeln. Es geht nicht um Zustimmung, sondern nur darum, dass Sie Ihrem Gegenüber signalisieren, dass Sie gehört haben, dass Sie X glauben und Y wollen. Im Anschluss können Sie einbringen, wie Sie die Situation sehen. Dass Zuhören ein Erfolgsfaktor ist, hat z.B. auch Harvard-Professor William Ury in seinen Untersuchungen aufgezeigt. Er fand heraus, dass Menschen, die ihrem Gegenüber aktiv zuhören, bessere Verhandlungsergebnisse erzielen als jene, die vor allem ihre eigenen Argumente und Ideen vorbringen.

Take away Frage

Denken Sie an eine Person, die in Ihrer Wahrnehmung ein sehr guter Zuhörer ist. Wie fühlt es sich für Sie an mit dieser Person zu sprechen?