„Hinter jedem Nein muss ein glühendes JA stehen!“

Michael M. ist CEO von einem Startup mit aktuell 25 Mitarbeitern und einer hohen Dynamik. „Meine Kreativität und meine Arbeitsmoral sind die Schlüsselfaktoren für unseren Erfolg. Ich treibe die Firma permanent voran. Gleichzeitig fühle ich mich schon länger komplett ausgebrannt, merke, dass ich immer öfter auch Fehlentscheidungen treffe und frage mich jetzt: Bin ich überhaupt ein guter CEO? Als Role-Model jedenfalls tauge ich nichts.“

„Es ist sehr ungewöhnlich, dass ein Manager in Ihrer Position sich selbst infrage stellt. Das allein hat schon Role-Model-Qualität,“ beginne ich das Gespräch. „Erzählen Sie mir mehr über die aktuelle Situation.“

„Ich bin mir sicher, dass es Burnout ist. Ich bin zudem frustriert über den Kreislauf des Wahnsinns, in dem ich ständig gefangen bin. Das führt mich immer wieder zu dem Punkt, an dem ich denke: Weißt du was, vielleicht ist das einfach nichts für dich. Und vielleicht sollte ich mich einfach wieder mehr den Themen zuwenden, von denen ich wirklich etwas verstehe, der IT. Bin ja ursprünglich Informatiker.“

Ein Burnout führt häufig dazu, dass man seine Lebensentscheidungen infrage stellt. Und an diesem Punkt befindet sich Michael M. im Moment. Möchte er überhaupt eine Führungspersönlichkeit sein? Und wenn ja, wie kann er führen, ohne sich ständig ausgebrannt zu fühlen? Und weil jeder von uns ein Burnout anders erlebt, ist es wichtig, dass wir herausarbeiten, wie es bei ihm aussieht. Damit beginnen wir also die Analyse.

Die Qual der Wahl

„Ich möchte ein besseres Verständnis dafür bekommen, wie sich das Burnout für Sie anfühlt. Wenn ich mich in Ihre Welt hineinversetze, wie fühlt es sich an, wenn Sie kurz vor einem Burnout stehen oder sich im Burnout-Modus befinden?“

„Es ist diese ständige Erschöpfung und das Gefühl, dass es das nicht wert ist. Ich setze so viele unterschiedliche Prioritäten und ich frage mich ständig: Was kann ich aufgeben? Was kann ich fallen lassen? Vor kurzem hat mir jemand gesagt: ‚Warum sagst du nicht einfach nein? Probiere einfach mal aus, Nein zu sagen und beobachte, was sich dann bei Dir verändert.‘“

„Was hat das mit Ihnen gemacht, einfach nein zu sagen?“

„Um ehrlich zu sein, zögere ich, nein zu sagen. Ich habe Angst, weniger Anerkennung zu bekommen und weniger Einfluss zu haben. Gleichzeitig ist es genau das, was ich will, denn ich habe das Gefühl, es ist zu viel. Ich habe also im Moment diesen inneren Konflikt mit mir selbst.“

„Absolut. Ich denke, eine der Fragen, über die Sie sich klar werden müssen, ist, was Sie wirklich wollen. Denn ich denke, dass diese Spannung, dieser innere Konflikt, den Sie verspüren, ein bisschen so ist, als ob Sie in die Eisdiele gehen und nur drei Kugeln essen dürfen und Sie dann sagen: "Nein, ich will Jogurt-, Erdbeer- und Nusseis und Vanille hätte ich auch noch gerne. Und, übrigens, ich möchte unbedingt auch abnehmen."

„Oh ja, da haben Sie so Recht. So kommt es mir vor. So viele wichtige Themen, Entscheidungen und To do’s – einerseits will ich alles machen, andererseits weiß ich, dass ich nur drei Kugeln schaffe, um im Bild zu bleiben.“

Das magische Dreieck

„Stellen Sie sich ein magisches Dreieck vor: Einerseits die Idealvorstellung, wie Sie die Dinge gerne hätten, dann die Realität, was Sie tatsächlich leisten können und dann die strategischen Überlegungen darüber, wie Sie alles meistern können. In diesem Dreieck gilt es jetzt, Ihre Kraft zu finden.“

„Ich denke, meine wichtigste Eigenschaft ist, dass ich Entscheidungen treffen kann. Ich kann den Leuten eine Richtung vorgeben, wenn sie Klarheit brauchen. Ich bin die starke Stimme in einer Sitzung, die sagt: "Wir sind hier, um das zu tun und wir gehen nicht, bevor wir das erreicht haben". Und ich sorge dafür, dass das auch geschieht. Ich habe eine Vision, ich habe eine Strategie und ich kann sie umsetzen. Ich bin nicht nur ein Redner. Ich bin ein Macher. Ich liebe es, Verantwortung zu übernehmen. Deshalb war ich mir auch sicher, dass die Rolle als CEO genau die richtige für mich ist. Aber wenn das bedeutet, den ganzen Tag nonstop zu arbeiten, jeden Tag, auch an den Wochenenden und sich erschöpft und ausgebrannt zu fühlen, nicht schlafen zu können – dann ist es nicht das, was ich will.“

„Ok. Es ist jetzt wichtig, aus diesem Kreislauf des Burnouts herauszukommen – also die richtige strategische Entscheidung zu treffen, zwischen Ihrer Idealvorstellung und der Realität. Oder um im Eisbild zu bleiben: Sich für drei Eissorten mit wenig Zucker zu entscheiden. In Notsituationen, wie z.B. im Burnout, sind wir nicht in der Lage, aus unserem vollen Potential zu schöpfen. Im Gegenteil, wir sind häufig im ‚freeze-fight-flight‘-Modus. Dann sind auch unsere Entscheidungen nicht so gut, wie wir es gewohnt sind. Das ist keine gute Idee als CEO.“

„Richtig.“

„Was brauchen Sie, um die richtigen Eissorten alias Entscheidungen auszuwählen?“

„Wenn ich das wüsste!“

Das glühende JA

„Einerseits sagten Sie, dass Ihr strategisches Denken und visionäres Denken die Basis dafür ist, dass Sie in der Lage sind, Dinge zu sehen und sie dann auch umzusetzen. Das ist eine Dimension von Führung. Es gibt noch eine weitere Dimension, nämlich die Fähigkeit, Prioritäten zu setzen und sich zu konzentrieren. Genau darum geht es beim ‚Nein-sagen‘. Es geht darum, dass Sie erkennen, was zu diesem Zeitpunkt am wichtigsten ist und bei den weniger wichtigen Aufgaben gilt es, Grenzen setzen zu lernen. Wenn Sie jedoch aus der Angst heraus handeln, z.B. Angst vor mangelnder Anerkennung, können Sie keine Grenzen setzen. Denn Sie werden sich ständig fragen: ‚Ich brauche die Anerkennung. Ich brauche die Anerkennung. Ich brauche die Anerkennung – Wie gelingt mir das am besten?‘“

„Stimmt – ich hatte bisher ständig Angst, dass mein Umfeld, wenn ich keine Anerkennung bekomme, meine Arbeit nicht gut findet. Ich mag die Verantwortung. Ich wünschte nur, es würde nicht so viele Stunden meines Tages in Anspruch nehmen.“

„Die Arbeitsbelastung ist viel höher, als Sie diese gerne hätten. Es stellt sich die Frage, wie viele Grenzen Sie setzen müssen, um Entspannung in Ihren Alltag zu bringen. Wenn Sie zu bestimmten Dingen nein sagen würden, wären Sie dann immer noch in der Lage, Ihre Aufgabe zu erfüllen?“

„Ja, das ist richtig.

„Wenn Sie unser Gespräch jetzt nochmal reflektieren. Was wäre ein erster Schritt, aus Ihrer Burnout-Schleife nachhaltig herauszufinden?“

„Ich muss ‚Nein-sagen‘ lernen.“

„Ich gebe Ihnen dazu einen Satz von der Philosophin Rebeca Reinhard mit auf den Weg: ‚Hinter jedem Nein muss ein glühende JA stehen!‘ Das bedeutet, dass Sie lernen, ein Nein klar und überzeugt zu formulieren, weil für Sie das glühende JA z.B. ein Leben ohne Burnout ist.“

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