„Glück und Erfolg – geht das überhaupt gleichzeitig?“

Manchmal kommt es „dicke“, wie man im Volksmund sagt. So erging es auch meinem Klienten – Private-Equity-Partner einer großen US-Kanzlei. Er hatte zu hoch gepokert und war dabei, seinen Job als Equity-Partner zu verlieren. Zusätzlich geriet er in eine persönliche Krise aufgrund von Krankheit und familiären Belastungen. Seit Jahren war sein Fokus ausschließlich auf beruflichen Erfolg ausgerichtet. Das hatte ihn eine Ehe gekostet, viele Freundschaften und jetzt war er dabei, auch noch seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Um seine Position als Equity-Partner trotz aller Belastungen zu behalten, hatte er sich entschieden, noch mehr zu arbeiten. „Ich wollte das beste Umsatzergebnis meines Lebens machen – der Markt ist perfekt dafür. Gerade in meinem Business gibt es z. Zt Klagewellen, von denen ich profitiere.“ Das Ergebnis: Er wurde immer gestresster und gleichzeitig – nach seinen eigenen Worten – für sein Umfeld immer schwieriger.

Der Elefant im Porzellanladen

„Was genau verbirgt sich hinter dem Wort ‚schwieriger‘?“ – will ich von ihm wissen.

„Wissen Sie Frau Segschneider, ich habe immer wieder mit einem Coach gearbeitet und bin wirklich sehr selbstreflektiert. Das heißt aber leider noch lange nicht, dass ich eine Lösung für mich finde. So raste ich z. B. bei jeder Kleinigkeit aus, bin ungeduldig und merke selbst, wie ich immer wieder in eine Art ‚Rechthabeschleife‘ gerate. Nur komme ich da nicht raus. Ich komme mir vor wie der Elefant im Porzellanladen. Was soll ich machen?“

„Ok, was passiert, wenn Sie als Elefant in die Geschichte der Kanzlei eingehen?“, frage ich ihn etwas provokativ. „Das genau will ich ja nicht!“, entgegnet er spontan. „Was wollen Sie stattdessen?“ „Ich will glücklich sein und erfolgreich!“

„Ok. Glück und Erfolg sind zwei voneinander unabhängige Variablen. Womit wollen Sie beginnen: Glück oder Erfolg?“

Er schaute mich an. Es entstand eine lange Pause. Wir schwiegen mindestens zwei Minuten. Dann sagte er: „Ok – das ist mal eine richtig schwere Entscheidung.“ Pause. „Genau genommen ist es sonnenklar“, sagte er auf einmal. „Natürlich Glück!“

Glück oder Erfolg?

„Lassen Sie uns im ersten Schritt klären: Welche Veränderungen würden Ihr Leben glücklicher machen, unabhängig davon, ob Sie dadurch erfolgreicher werden?“

„Ich wurde im Laufe meines Lebens schon mit vielen Fragen herausgefordert – puh, diese Frage hat es in sich!“, war seine erste spontane Antwort. „Ich habe nicht nur die Probleme in meiner Kanzlei. Nach außen lebe ich die perfekte Geschichte: Zwei Kinder, die gut in der Schule sind – eine Ehefrau, um die mich jeder beneidet und eine Kanzlei, in der fast jeder Jurist einmal in seinem Leben arbeiten möchte. Meine Dramen spielten sich im Hintergrund ab. Meine Ehe ist eigentlich zerrüttet – wir wollen aber zusammenbleiben wegen der Kinder. Glück ist in weiter Ferne.“

„Ok. Ihr persönliches Glück mag in weiter Ferne sein, aber es ist nicht unerreichbar. Der erste Schritt: Weg von dem Klagen über Ihre schwierige Situation, auch wenn Sie als Anwalt mit Klagen grundsätzlich etwas Positives verbinden ;-) – hin zum Gestalten z. B. von Maßnahmen, die Sie glücklich machen. Wie die meisten Top-Leader, die ich betreue, haben Sie ein Problem.“ Ich machte eine Pause, damit mein Gedanke seine Wirkung entfalten konnte. „Sie sind süchtig nach Leistung. Das bedeutet, dass Sie – wenn Sie sich nur auf Leistung konzentrieren – auf lange Sicht wahrscheinlich nicht glücklich werden können.“

Ich fuhr fort, während er angespannt schwieg. „Tun Sie so, als wäre die Krise, in der Sie stecken, nie passiert. Sie sind auf dem Weg geblieben, auf dem Sie waren: Ihre Ehe ist glücklich wie zu Beginn, und Ihr zeitliches und finanzielles Investment in die Kanzlei hat sie zum besten Equity-Partner in der Firma gemacht. Ihr Erfolg wuchs in jedem Jahr und auch in Zukunft.“

Seine Anspannung wurde weniger – er lächelte sogar, während ich eine glückliche Ehe beschrieb.

„Irgendwann – vielleicht Jahre später – haben Sie erkannt, dass Erfolg und Glück unabhängige Variablen sind. Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis ist die Frage: Wie können Sie nicht nur ein erfolgreiches, sondern auch ein glückliches Leben aufbauen?“

Recht haben oder glücklich sein?

Passend zu meiner Frage nannte ich ihm ein Zitat von Peter Drucker, dem US-Ökonom und Erfinder der modernen Managementlehrer: „Der Zweck des Lebens ist es, einen positiven Unterschied zu machen, nicht zu beweisen, wie richtig oder klug wir sind.“

Ich konnte förmlich fühlen, wie sehr ihn das Gespräch bewegte. „Das erinnert mich an den Satz meiner Großmutter“, sagte er nachdenklich. „Sie hat immer gesagt, vergiss nie: nicht erfolgreiche Menschen sind glücklich, sondern glückliche Menschen sind erfolgreich. Deshalb habe ich mich auf Ihre Frage – Glück oder Erfolg – eben auch fürs Glück ‚entschieden‘. In meinem ganzen Umfeld fehlt es nicht an Erfolgen – es ist das Glück, das verloren geht über die Jahre. Nach zehn, fünfzehn Jahren fangen die Scheidungen an. Vorher haben wir Hochzeiten gefeiert – jetzt treffen wir uns zu Trennungsgesprächen. Viele sind nur oberflächlich glücklich. Woran liegt das? Das habe ich mich schon oft gefragt.“

„Das ist der Klassiker“, antworte ich ihm. Gerade erfolgreiche Menschen priorisieren kurzfristige vor längerfristigen Erfolgen. Sie stecken ihre Energie in Aktivitäten, die unmittelbarsten Beweis für Erfolg liefern. Aktivitäten wie das Investment in eine Beziehung oder die Erziehung der Kinder bietet oft keine unmittelbaren Vorteile – also konzentrieren sich die Menschen auf Erfolg. In Ihrem Fall: eine Klageschrift fertigstellen, den Posteingang auf null bringen, die dringenden Themen des Tages erledigen etc. Was könnte ein erster Schritt sein, der Sie hinführt, zum Glück? Wie ein ‚minimum viable product‘?

Bucketlist als Glücksbooster

Er strahlte plötzlich und sagte spontan: „Meine Frau und ich haben gerade ein Buch geschenkt bekommen ‚Eure gemeinsame Bucketlist‘. Wir fahren ein Wochenende weg und füllen die Bucketlist gemeinsam aus. Da machen wir uns automatisch Gedanken, die längerfristig sind. Das fühlt sich gerade richtig gut an. Damit sind zwar noch nicht meine Probleme in der Kanzlei gelöst. Aber es ist ein erster Schritt – was meinen Sie?“

Mein Klient war top motiviert und bereit, auch im Coaching den nächsten Schritt zu gehen und tiefer in seine Persönlichkeitsprofil einzusteigen. Er buchte nach dieser ersten Session mein Jahrescoaching ‚Transformational Leadership‘.

Schon Konfuzius sagte: Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt.

Wie viele Schritte haben Sie schon Richtung Glück und Erfolg gemeistert? Oder brauchen Sie wie mein Coachee eine Starthilfe? Dann kontaktieren Sie mich gerne. Ich freue mich auf Sie.

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