Gamechanger: Kaffeeküchen-Perspektive

Mit der Kaffeeküchen-Perspektive die Performance in Gesprächen auf ein hohes Level heben. Manchmal reicht schon ein Wechsel der Blickrichtung. Ein Fallbeispiel - COO Sparring.

COO Sparring

 

Vor einiger Zeit - der erste Lockdown war gerade zwei Monate vorbei - erhielt ich eine Sparring-Anfrage von einem COO: „Ich habe nächste Woche ein Bewerbungsgespräch bei einem Start-up. Dafür brauche ich Ihre Unterstützung. Ich fange ja nicht von Null an – aber mein letztes Bewerbungsgespräch ist lange her. Aktuell habe ich das Gefühl, dass mir etwas Handwerkliches noch fehlt – ich mache vieles aus dem Bauch heraus und hätte gerne einen professionelleren Background für ein online geführtes Bewerbungsgespräch für einen Vorstandsposition. In meinen f-2-f Gesprächen früher hatte ich immer einen response –  - zumindest gefühlt. Das Feedback fällt in f-2-f Videocalls jetzt weg. In den Online-Meetings Videocalls fehlt mir das. Jetzt sind es Gesprächspartner, die ich nicht sehe, rieche, höre… diese Situation, aufgrund der aktuellen Entwicklung,as  ist für mich komplett neu. Früher wusste fühlte ich, was sind das für Menschendas für Menschen sind, zu denen ich spreche – ich hatte einen direkten Bezug. Doch jJetzt sind es nur kleine bunte Vierecke auf einem Bildschirm…online .“

Auszüge aus unserer Sparringsarbeit: Die Kaffeeküchen-Perspektive

 

Wir eröffnen ein Board auf der CAI-World (Coachingplattform) und ich notiere die erste Frage – ich nenne sie die ‚Kaffeeküchenperspektive‘. Sie zielt auf die Inhalte ab, die die Gesprächspartner miteinander besprechen, wenn sie sich bspw. zu einem kurzen Austausch in eine Kaffeeküche zurückziehen würden. Was genau würden sie über den Bewerber sagen?

Die Aufgabe für den Coachee lautet: ‚Was möchten Sie, dass die Gesprächspartner über Sie sagen, wenn Sie den Raum verlassen?‘

Nach einiger Überlegung schreibt der COO seine Antwort auf: „Klarheit über meine Stärken und Schwächen.“ Das allein ist ein ‚Lehrbuchsatz‘, der noch mit Leben gefüllt werden muss: Über welche Stärken und Schwächen möchte er, dass die Gesprächspartner sprechen. Es folgt eine Pause. Nachdenken. Seine Antwort: „Ich lege Wert auf vertrauensvolle Zusammenarbeit und transparente Kommunikation.“

Mit der nächsten Frage leite ich einen Perspektivenwechsel ein:

„Sie haben selbst schon unzählige Bewerbungsgespräche als ‚Einstellender‘ geführt. Wann sind Sie begeistert von einem Mitarbeiter?“

Diese Frage löst ‚etwas‘ aus in ihm. Jetzt beschreibt der Coachee detailliert, wie eine Mitarbeiterin kommunizieren sollte, welche Führungsqualitäten sie haben sollte, wie sie mit Unvorhersehbarem umgehen sollte und welche innovativen Fähigkeiten er erwarte. Die Fähigkeit, an Krisen zu wachsen sei ihm wichtig, Resilienz also und, dass er ein hohes Aktivitätsniveau erwarte und eigenständiges Handeln. Strukturiertes Vorgehen sei ihm ebenso wichtig wie fokussiertes Arbeiten.

Pause.

Ich frage nach: „Was möchten Sie, dass die Gesprächspartner über Sie sagen, wenn Sie den Raum verlassen? Wovon sind Ihre Gesprächspartner begeistert nach einem Gespräch mit Ihnen? Was wünschen Sie sich?“

In der ‚zweiten Runde‘ – nach dem Perspektivenwechsel - formuliert er jetzt viel detaillierter, welche Fähigkeiten er gerne transportieren möchte. Er nennt inhaltliche Themen aber auch die Fähigkeit, mit Shareholdern auf Augenhöhe zu kommunizieren, vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen und zu pflegen; seine Entscheidungsfreude – wo andere noch hadern, trifft er Entscheidungen und führt diese auch ohne langes Zögern aus. Wichtig ist ihm auch seine Innovationskompetenz. Er habe deutlich mehr Ideen zur Lösung von Problemen als Andere. Sein Denken sei auf Fortschritt ausgerichtet – er möge keinen Stillstand.  etc.

Auf dem Board steht inzwischen ein klares Anforderungsprofil, das der COO für sich entwickelt hat.

Live – Simulation: Zu viel heißer Brei

 

„Jetzt machen wir ein Rollenspiel – ich bin Ihr Gesprächspartner und Sie bleiben in Ihrer Rolle als Bewerber. Die Aufgabe: Agieren Sie jetzt so, dass Ihre Gesprächspartner nachher in der Kaffeeküche genau diese Stärken hervorheben.“

Nach einem 3-Minuten-‚Trainings‘-Gespräch reflektiert mein Coachee: „Das war noch nicht so gut. Der Einstieg war holprig – es ist mir nicht gelungen, die Neugier meiner Gesprächspartner zu wecken. Ich glaube auch, dass meine Gestik und Mimik viel zu ernst waren und ich zu häufig um den heißen Brei rede.“

Neben seinem sehr wertvollen Eigen-Feedback spiegele ich ihm, dass seine vielen Nachdenk-Phasen (nach dem Motto: What’s next?) unsicher wirken und ihm einen großen Teil seiner inhaltlichen Souveränität wider streitig machen. Darüber hinaus sprechen wir ausführlich über die Wirkung von Gestik und Mimik und welche Optimierungsmöglichkeiten er hat. Zu  einem professionellen Bewerbungsauftritt, gehört auch eine professionelle Optik – das Schummerlicht, in dem er seine Online-Calls bislang führt, ist ein klares ‚No-go‘.

Es folgt Runde zwei im Rollenspiel. Die Aufgabe, die ich ihm stelle, lautet erneut: „Agieren Sie jetzt so, dass Ihre Gesprächspartner nachher in der Kaffeeküche Ihre Stärken hervorheben“

Das anschließende Feedback des Coachees: „Ich habe mich schon deutlich wohler gefühlt. Die Wiederholung hilft mir sehr. Ich komme besser in den Flow.“

Mein Feedback: Sowohl die Inhalte als auch Gestik und Mimik wirkten jetzt souveräner. Ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Meine Frage: „Was wäre nun der erste wertvolle Schritt für Sie, damit Sie Ihr Ziel – ein gutes ‚Kaffeeküchen-Feedback‘ erreichen?“

Antwort des Coachees: „Üben! Mir ist klar geworden, dass ich meine Performance trainieren muss, wie einen Golfschlag und, dass die Kaffeeküchen-Perspektive ein Gamechanger ist.“

Six-Pack-Bonus: Noch mehr Tools

 

Im Sparringverlauf stelle ich dem COO weitere Tools vor, die ihn bei einem professionellen Auftritt unterstützen und, die er mit Übung in seinen Auftritt Stück für Stück integrieren kann. Jedes dieser Tools entfaltet seine Wirksamkeit durch intensives Training. Hier eine Auswahl:

1. Mimik/Gestik/Blickkontakt

2. Diktion steuern/ verlangsamen / schneller sprechen / lauter / leiser u.v.m.

3. Pausen machen – als Machtinstrument, nicht als Unsicherheitszeichen!

4. Haltung: „Aufrichten“ positive, empathische Botschaft

5. Zuhören / Interesse zeigen / Neugier wecken

6. Kommunikation: Hinterbühne/Vorderbühne beachten

Wir verabreden uns zu weiteren Sparring-Sessions, um die einzelnen Tools auf seine Kompetenzen anzupassen und die individuellen Umsetzungsstrategien zu entwickeln.