Doppel-Hammer! Ex-VW-Vorstand Winterkorn soll gelogen haben

So lautete eine von vielen Schlagzeilen zum Dieselskandal. Gab es ein ‚System Winterkorn‘? Wie konnte sich der systematische Betrug entwickeln? Darüber zu urteilen ist Aufgabe der Gerichte. Wie kommt es dazu, dass in einem Unternehmen immer mehr Menschen zu Mitwissern werden? Und vor allem: Wie kann man verhindern, in den ‚Mitmach-Sog‘ gezogen zu werden? Darüber spreche ich mit Klienten im Coaching.

Ein Beispiel dazu aus meiner Coachingpraxis

„Immer wieder werde ich mit Projekten konfrontiert, die - vornehm ausgedrückt – eine genaue ‚Abwägung‘ erfordern. Ehrlich gesagt geht es ganz oft um die Frage: Ist das noch compliant oder nicht mehr. Ich frage mich – gerade im Moment, wo der Margendruck bei uns immens ist – immer öfter: Wie gehe ich mit der Diskrepanz zwischen meinen eigenen Werten Integrität und Prinzipientreue, und dazu konträr geforderten Handlungsweisen um?“ So lautete der Coachingauftrag. Ein Anliegen, das mir im Compliance-Coaching immer wieder begegnet.

 

Eintauchen in die Situation

Stellen Sie sich vor, Sie führen gerade ein wichtiges Gespräch, in dem Ihr Gegenüber, vielleicht der Vorstandskollege oder ein wichtiger Kunde, Sie von einem unternehmerischen Schachzug überzeugen will, der nicht den Regeln entspricht, also nicht compliant ist. Irritiert von der Diskrepanz zwischen den Motiven und Werten, die Sie als Mensch bewegen auf der einen Seite und den geforderten Handlungsweisen – den Erwartungen des ‚Gesprächspartners‘ (meistens Vorgesetzten) an Sie auf der anderen Seite, ist Ihr Innenleben vielleicht widersprüchlich, Ihr persönlicher State – also Ihr Grundgefühl - auf jeden Fall hochkomplex.

Eventuell befinden Sie sich in einer ängstlichen Verfassung, einem beunruhigten State, da Sie ohne die geforderte Handlungsweise vorgegebene Margen nicht erreichen können. Nach der langen Durststrecke aufgrund von Corona brauchen Sie jetzt dringend gute Zahlen. Oder Sie sind in einem ignoranten State, da Sie der Auffassung sind, dass sich doch jeder in der Branche die Regeln zurechtbiegt („Das macht doch – gerade im Moment - jeder!“) Möglicherweise sind Sie eher zweifelnd-ehrlich, indem Sie sich fragen: „Was passiert, wenn ich nicht zustimme? Bin ich dann meinen Job los? Wie zahle ich dann den Hauskredit ab?“. Vielleicht sind Sie auch in einem mutigen State („Ich mache da nicht mit!“). Am Ende ist aber auch eine Zusammenschau aller genannten Zustände möglich, dann sind Sie in einem „Patchwork-State“. Hier schreien unterschiedliche Gedanken nach Abwägung. Je nachdem, wie bewusst Sie Ihren State nun kontrollieren können, haben Sie Einfluss auf das Ergebnis. Es könnte allerdings auch sein, dass Sie - anstatt Ihren eigenen State zu kontrollieren - sich von Ihrem Gegenüber lenken lassen und dem Deal entgegen Ihrer Überzeugung zustimmen.  Umgekehrt ist es daher sicherlich von Vorteil, den anderen mit Ihrem Grundgefühl anzustecken, ihn mit Ihrer Reaktion, wie Sie den Deal aufnehmen, vom Gegenteil zu überzeugen. Hier stellt sich die Frage: Wer kann seinen State besser kontrollieren und übernimmt damit die Macht im Gespräch?

 

Die Lösung

Starten Sie damit, ganz bewusste State-Control zu trainieren, sodass Sie es in einer hochkomplexen Situation, in der es um strittige Compliance-Handlungen geht, jederzeit einsetzen können bzw. je nach Anforderung abrufbar haben. So kann z. B. ein Compliance-State aktiviert werden, der Sie in die Lage versetzt, offen und klar zu kommunizieren, dass Sie Deals dieser Art ablehnen. Dann wird auch das Gegenüber zumindest nachdenklich-zurückhaltend reagieren. Klar ist: Ihre innere Einstellung – bspw. die Bewusstmachung Ihrer Werteskala - beeinflusst Ihr Verhalten. Wenn die persönliche Haltung von Integrität geprägt ist und Sie den Stolz sowie den Mehrwert für das Unternehmen, das eine Vertrauenskultur mit sich bringt, überzeugend vermitteln, weil Sie es trainiert haben, sind die Argumente auf Ihrer Seite.

Dazu ist es wichtig die Wirkungskette zu kennen, die einem State zugrunde liegt: Zunächst erzeugt ein bestimmtes Ereignis im Unterbewusstsein einen Gedanken. Danach gibt man diesem Gedanken eine Bedeutung. Daraus entwickelt sich eine Emotion, die wiederum für ein bestimmtes Verhalten sorgt. Daraus resultiert der individuelle, persönliche State. Dieser ist vor allem abhängig davon, welche Bedeutung Sie der Situation geben und welche Emotionen damit verbunden sind. Sie merken schon, es geht um eine aktive Handlung: SIE geben den Dingen / der Situation ihre Bedeutung und beeinflussen damit die eigene innere Haltung durch Ihre Gedanken. Wenn Sie für sich z.B. ganz klar haben, wie gewinnbringend eine compliante Haltung ‚on the long term‘ für das Unternehmen ist, dann gelingt es Ihnen auch leichter, den ‚Angriff‘ des Gegenübers souverän abzuwehren. (aus: Balanceakt Compliance, Dr. Kathrin Niewiarra & Dorette Segschneider, fazbuch-Verlag)

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