Diesen Fehler beim Führen auf Distanz sollten Sie niemals machen

Sparring mit einer Direktorin aus der Bankenbranche. Der Lockdown war gerade zwei Monate vorbei – da erhielt ich eine Sparring-Anfrage von einer Direktorin: „Je länger die virtuelle Situation anhält, desto schwieriger wird es, das Team zu führen. Die Meetings bis zu 4 Personen funktionieren gut. Da sehe ich die Mimik und Gestik – vorausgesetzt die Technik spielt mit. Ab fünf Personen ist es schwerer: Wer redet wann, wer hat gerade einen Einwand und möchte etwas sagen? Wo gibt es Zwischentöne, die wichtig sind – dieses sehr wichtige ‚zwischen den Zeilen bzw. Gesichter lesen‘ ist nicht möglich. Ich habe zudem keine Kennenlern-Cafés oder Lunches mehr, kein Augenkontakt und Hallo-Sagen beim Vorbeilaufen, kein Lächeln auch an die, die nicht direkt mit mir arbeiten.“

Auszüge aus unserer Sparringsarbeit: Entwickeln des Code of Ethics

Als Einstieg in das Thema verabreden wir uns zum Online-Coaching. So schaffen wir eine realitätsnahe Situation, die die ‚Bedingungen‘ von Führung auf Distanz optimal spiegelt. Gemeinsam mit der Direktorin analysiere ich, wo genau sie ihr Team ‚verliert‘ und warum sie das Gefühl hat, Zwischentöne nicht zu hören und wie es gelingen kann, auch virtuell das ‚Hallo-Sagen beim Vorbeilaufen‘ zu leben.

Schnell wird deutlich, dass sie ihr Team nach den ‚alten‘ Spielregeln führt und weder für die virtuellen Meetings noch für die virtuelle Situation insgesamt neue Regeln vereinbart hat. Das ist der Hauptfehler, den noch immer viele Führungskräfte machen. Im optimalen Fall vereinbaren sie ‚Technikregeln‘ – in den seltensten Fällen gibt es einen ‚Code of Ethics‘. Der ist deshalb entscheidend für den Erfolg von virtuellen Meetings, weil die neuen Rahmenbedingungen auch zu einer veränderten Wahrnehmung führen, auf die die Führung sich einstellen muss. Die Performance virtueller Teams hängt sehr stark von den Spielregeln ab, die die Führungskraft gemeinsam mit den Mitarbeitern entwickelt. In Ausnahmefällen kann die Führungskraft auch Regeln vorgeben – dann ist eine transparente Kommunikation wichtig. Beispiel: „Mir wäre es wichtig, dass wir uns einmal täglich zu einem 10-minütigen Check-in treffen – gibt's da von Euch Bedenken?“

Im virtuellen Raum ist vieles anders als f-2-f. Im nächsten Schritt geht es darum, die aktuelle Team-Stimmung genauer zu erspüren. Mögliche Probleme ans Tageslicht zu bringen. Ziel ist, herauszufinden, wo genau sie ihr Team ‚verliert‘ und wie es gelingen kann, Zwischentöne wieder zu hören und virtuell das ‚Hallo-Sagen beim Vorbeilaufen‘ zu leben. Wir starten mit einer spontanen Sammlung von Themen, die im Team der Direktorin aktuell Probleme machen:

  • Reaktionszeiten – bis wann soll eine E-Mail idealerweise beantwortet werden? In 24 oder 48 Stunden?
  • Die Art und Weise wie wir Informationen teilen ist nicht geregelt.
  • Viele klagen über zu viele E-Mails. Wie dämme ich die E-Mail-Flut ein? Wer steht in welchem Verteiler?
  • Homeoffice: Wir haben keine klaren Regeln, wann jemand online sein muss etc.
  • Es gibt keinen verpflichtenden Check-In.
  • Offen ist auch: Wie ist es am Abend? Bis wann erwarten wir Antworten? Wenn jemand eine längere Pause macht – wem muss er/sie das melden?
  • Wir haben keinen ‚Verhaltencodex‘ – also: Wie gehen wir miteinander um? Was tun wir bei Missverständnissen? Bei Konflikten?
  • Etc.

 

Handschlag oder schriftliches Dokument?

Der nächste Schritt für die Direktorin ist nun, die Spielregeln gemeinsam mit ihrem Team in einem Teammeeting zu erarbeiten und anschließend festzulegen: „Fixieren wir unseren Code of Ethics schriftlich oder ist er eine verbindliche ‚Handschlagsvereinbarung‘?“ Beispiel: Man kann den Code schriftlich festlegen oder aus einem konkreten Anlass heraus Themen z.B. in einem Jour fix ansprechen: „Eine Kollegin schreibt immer um 22 Uhr noch E-Mails: Wie wollen wir damit umgehen?“

Oder wenn z.B. Mütter im Team sind, die nicht zu jeder Zeit können, kommt oft der Fairnessgedanke ins Spiel: Die Singlemitarbeiterin sagt – „Ich bin immer um 8 Uhr online und Frau Müller mit zwei Kindern macht überhaupt nur noch Homeschooling.“ Hier ist es wichtig, im Team-Meeting Transparenz zu schaffen, z.B., dass die Mutter immer abends arbeitet und dann z.B. über einen Code of Ethics die Spielregeln der flexiblen Arbeitszeit festzulegen.

Im dritten Schritt entwickeln wir einen Vorschlag für einen Code of Ethics, den die Direktorin ins nächste Jour fix mitnimmt und daraus einen verbindlichen Code mit dem Team gemeinsam entwickelt.  

 

Wie gelingt virtuelles ‚Hallo-Sagen‘ im Vorbeilaufen?

Offen war noch ihre Frage: Wie kann ich persönliche Nähe schaffen? Wie gelingt ein virtuelles ‚Hallo-Sagen‘ im Vorbeilaufen? Dazu erarbeiten wir mit einem Kreativ-Tool fünf Kernmöglichkeiten:

  • Dialogräume anbieten – 10 Min früher einloggen zum informellen Austausch;
  • WhatsApp-Gruppen bilden etc.
  • Lead- & Learngruppen in kleinen selbst organisierten Gruppen austauschen
  • Working out Loud-Methode zur Verfügung stellen
  • Daily Check-In jeden Morgen – 10 Minuten aktiv zuhören & Fragen stellen.

Neben den virtuellen Möglichkeiten ist das ‚gute alte Telefon‘ ein wichtiger Verbindungsanker, vor allem wenn Mitarbeiter offensichtlich unter Druck sind. ‚Einfach mal zum Hörer greifen‘ und Fragen stellen – manchmal reichen schon scheinbar ‚banale‘ Nachfragen: ‚Ich hab‘ gesehen im Call, dass Du so ruhig warst. Ist alles ok bei Dir?‘ wäre z.B. eine Möglichkeit.

Langsam haben wir uns an Homeoffice und Führung auf Distanz gewöhnt, dennoch fehlt es an manchen Stellen noch an Klarheit, die mit einem Code of Ethics geschaffen werden kann. Nutzen auch Sie klare Vereinbarungen, um in Ihrem Team weiterhin für gute Stimmung zu sorgen. Gerne unterstütze ich Sie dabei.