Die Macht von State-Control – jeder im Topmanagement sollte sie beherrschen

„Trotz Margendruck auch in stressigen Situationen entspannt bleiben – in komplexen Arbeitsumfeldern, schwierigen Entscheidungssituationen oder Krisen funktionieren – das möchte ich können“, sagte Karin S., Salesvorstand eines mittelständischen Unternehmens. Und sie war nicht die erste Topmanagerin, die mit diesem Wunsch zu mir kam. „Daran möchte ich ganz gezielt arbeiten!“, lautete ihr klarer Coachingauftrag.

In den letzten Blogartikeln habe ich i.d.R. die „operative“ Seite der Coachingsessions transparent gemacht. Das ist die eine Seite der Medaille. In den Intensivcoachingtagen (zw. 4-8 Stunden) vermittele ich meinen Klienten zu vielen Themen auch den theoretischen Hintergrund. Viele meiner Klienten sind rational – lieben die Theorie und können sich über diesen Weg oft viel besser auf die konkrete Umsetzung einlassen. Hier also die „Theorie“, die ich Karin S. mit auf den Weg gegeben habe.

Ein Schlüssel zu ihrem Ziel, „trotz Margendruck auch in stressigen Situationen entspannt bleiben“ liegt im persönlichen „State- Control“.

 

Was ist State-Control?

Unter „State“ versteht man die Summe aller neurologischen und emotionalen Prozesse, die zu irgendeiner Zeit in einem Menschen entstehen. „State-Control“ ist die Fähigkeit unseres Gehirns, Emotionen im Alltag zu managen, und Teil jeder Entscheidung, die wir treffen. Bewusst oder unbewusst. Menschen, die über eine gute Fähigkeit, ihren „State“ zu kontrollieren, verfügen, reagieren in Krisensituationen entspannter und treffen bessere Entscheidungen.

Ein emotionaler State ist das Grundgefühl, das Sie in jedem einzelnen Moment haben. Also die Stimmung, die Sie als Mensch bewegt. An einem ganz normalen Tag erleben wir unzählige verschiedene Stimmungen. Manche erleben wir als positiv, andere als negativ. Unsere innere Stimmung betrifft nicht nur unsere Gefühle, sie bestimmt ebenso unser Verhalten und unsere Fähigkeit zu handeln. Wer die Fähigkeit besitzt das eigene Grundgefühl zu verändern, kann machtvoll und entspannt auch mit Stresssituationen umgehen. Dabei gibt es zwei Hauptkomponenten, die das Grundgefühl ausmachen. Die erste ist die sogenannte „innere Repräsentation“, und die zweite bezieht sich auf physiologische Voraussetzungen. Die innere Repräsentation umfasst, was (Inhalt) und wie (Form/Prozess) man sich etwas in seinem Leben bildlich und wörtlich vorstellt. Was der eigenen Erfahrung nach wichtig für einen ist, entscheidet sich letztendlich dadurch, wie man sich die jeweilige Situation vergegenwärtigt. Man kann sich Ereignisse so vorstellen, dass sie einen selbst in einen positiven Zustand versetzen, oder so, dass sie einem den ganzen Tag über als Ballast auf den Schultern liegen.

 

Und wie funktioniert State-Control in der Praxis?

Im Coaching übertrug Karin S. dieses Wissen auf eine Situation in ihrem Business-Alltag:

Sie stellte sich dazu eine konkrete Situation vor, in der sie – trotz Stress – in Zukunft entspannt reagieren will. Zunächst entwickelte sie dazu im Kopf ein klares Bild – „Ich bin entspannt, gelassen – agiere souverän mit meinen Mitarbeitern und genieße die Anerkennung“ – und stellte sich diese Situation groß, strahlend hell und ganz nah vor. Im nächsten Schritt bat ich sie, dieses Bild zu verankern: „Beobachten Sie, was Sie fühlen, welche Emotionen die entspannte Vorstellung in Ihnen auslöst. Speichern Sie das Bild – zum Beispiel ein ruhiger See in der Sommersonne oder ein starker Berggipfel, der im Sonnenlicht liegt und dem Wind entspannt trotzt – ganz bewusst ab. Wenn Sie das nächste Mal einen entspannten State benötigen, holen Sie sich dieses Bild wieder hervor – groß, strahlend hell, nah.“

Bei der zweiten Hauptkomponente von State, den physiologischen Voraussetzungen, geht es um Körperhaltung, Atmung, Muskelspannung, Mimik und biochemische Prozesse, die ebenfalls aktiv beeinflusst werden können. Wer z. B. seine Atmung kontrollieren kann und durch gezieltes, regelmäßiges Training Entspannung in Stressmomenten bewusst einsetzt, minimiert die Stress-Symptome wie mangelnde Konzentration, „Genervtsein“ oder auch Herzrasen, Zittern oder Bauchschmerzen aktiv und nachhaltig. Körperhaltung und „State“ sind eng miteinander verknüpft: Wer z. B. in depressiven oder schlecht gelaunten Phasen den Kopf hochhält und die Schultern zurücknimmt, anstatt sie mutlos hängen zu lassen, sendet positive Signale an die Psyche. Wer lächelt – sei es nur künstlich – weckt Glücksgefühle, unabhängig davon, ob wir wirklich einen Grund zur Freude haben. Das fand unter anderem der französische Psychologe Robert Soussignan in einer Studie im Jahr 2002 heraus.

Die eigene Haltung jederzeit beeinflussen, ist das Ziel von State-Control, einer Technik, die ich sehr erfolgreich in meinen Coachings anwende.

 

Wirkungskette – wie’s funktioniert

Dazu ist es wichtig, die Wirkungskette zu kennen, die einem State zugrunde liegt: Zunächst erzeugt ein bestimmtes Ereignis im Unterbewusstsein einen Gedanken. Danach gibt man diesem Gedanken eine Bedeutung. Daraus entwickelt sich eine Emotion, und die wiederum sorgt für ein bestimmtes Verhalten. Daraus resultiert der individuelle persönliche State. Der ist vor allem abhängig davon, welche Bedeutung man den Dingen z. B. aufgrund von persönlichen Erfahrungen gibt und welche Emotionen damit verbunden sind.  

Sie merken schon, es geht um eine aktive Handlung: SIE geben den Dingen ihre Bedeutung und beeinflussen damit die eigene innere Haltung durch Ihre Gedanken.

Bewusste State-Control trainieren, sodass man es während des Telefonats oder Meetings jederzeit einsetzen kann bzw. je nach Anforderung abrufbar hat. So lernte Karin S. z. B. ihren Entspannungs-State zu aktivieren, der sie in die Lage versetzte, auch unter Druck souverän und gelassen zu kommunizieren. Im Feedback dazu schrieb sie u. a.: „Ich muss zugegeben – State-Control wirkt, aber es braucht Übung! Das habe ich unterschätzt. Erst seitdem ich regelmäßig mein Grundgefühl trainiere, klappt es tatsächlich auch in schwierigen Situationen. Sehr hilfreich. Das Spannende ist, das auch mein Gegenüber jetzt viel gelassener reagiert.“

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