Banal und doch genial – warum einfache Lösungen manchmal die besten sind

Mehr Energie im Führungsalltag

„Mein Big Picture habe ich klar. Meinen Purpose, meine Vision – bitte kommen Sie mir nicht damit. Ich bin von Herzen mittelständischer Unternehmer mit Vision. Ich möchte die Menschen begeistern, meine Mitarbeiter mitnehmen. Nur leider: Beim ‚möchte‘ bleibe ich hängen. Der Alltag frisst mich auf. Ich bin müde und oft einfach schlecht gelaunt. Ich suche kleine Hilfestellungen, wie ich aus der Schleife im ganzen banalen Alltag rauskomme.“

Meinem Coachee war klar: Seine Begeisterung bestimmt auch den Energiepegel seiner Mitarbeiter. Als Führungskraft ist er Vorbild seiner Mitarbeiter. Doch er ist auch Mensch: Wie kommt er in Fluss, wenn ihm Begeisterung schwerfällt?

Mein Credo heißt: „Nur wer von sich selbst begeistert ist, begeistert andere!“ Fröhlichkeit und Empathie übertragen sich ebenso wie Begeisterung und Charisma. Ein Grund sind die Spiegelneuronen in unserem Gehirn: Sie sorgen dafür, dass man sich allein durch das passive Beobachten einer Emotion oder einer Handlung eines anderen Menschen zu derselben Reaktion angeregt fühlt. Wenn er als Unternehmer also seine Mitarbeiter oder Vorstandskollegen zu Begeisterung und Motivation führen will, sollte vor allem er von seinem Projekt oder seiner Aufgabe begeistert sein. Die Vorbildfunktion der Führungskraft ist einer der zentralen Erfolgsfaktoren in der Führung. Klingt wie ein alter Hut. Ist ein alter Hut, der aber vielfach unbeachtet in der Ecke liegt.

 

Eine Frage der Haltung

Auf dem Weg zu einem positiven Führungsstil gibt es Hindernisse – zugegeben: Den Deutschen ist Begeisterung suspekt. Gerne zitiere ich bei meinen Klienten einen Ausspruch von Eckart von Hirschhausen nach dem die Deutschen anstelle eines Frontallappens einen Jammerlappen haben. Wer zu fröhlich ist, gilt schnell als oberflächlich und ruft Neider auf den Plan. So ging es auch meinem Klienten. In seinem Unternehmen, das er in dritter Generation leitete, hatte er viele Neider. Familienmitglieder, die ihm die Rolle des Chefs neideten. Altgediente Mitarbeiter, die ihn als „Youngster“ nicht anerkennen wollten etc. Hinzu kam, dass sein Alltag in der Corona-Pandemie noch schneller, härter und kräftezehrender geworden ist.

 

Auszug aus den Coachingergebnissen

Sein erster Schritt war die Einsicht: Auch für ihn dürfen manche Tage grau beginnen. Im zweiten Schritt wollte er eine Antwort auf die Frage: Wie kann es ihm gelingen, Begeisterung auszustrahlen, wenn der Wecker zu früh geklingelt hat, die drei Kinder im Homeoffice nerven, wenn er wieder mal Neid-Attacken abwehren musste und die schlechten Geschäftszahlen auch den Mitarbeitern die Laune verderben?

Zugegeben: Es ist nicht immer leicht. Dennoch bleibt es eine Entscheidung, die jeder einzelnen jeden Tag, in jeder Situation immer wieder für sich selbst trifft: Wähle ich eine positive Haltung oder entscheide ich mich fürs Trübsal blasen? Sagen Sie sich: „Ich fühle mich gut und schaffe das“ und lächeln Sie? Oder sagen Sie sich: „Das nervt mich alles“ und lassen die Schultern hängen?

 

Lächeln wirkt: die Fakten

Der scheinbar banale Tipp – einfach mal zu lächeln – wurde in vielen Studien bestätigt: Mit einem Lächeln bewegt man 60 Muskeln in seinem Gesicht. Lächeln signalisiert dem Körper Freude: Die Stirn ist entspannt, es bilden sich Lachfältchen, die Wangen sind angehoben, die Nasenflügel auseinandergezogen und die Mundwinkel gehen nach oben. Das Gehirn bekommt das Signal: „Mir geht es gut.“ Wir fühlen uns besser.

Das Lächeln funktioniert sogar dann, wenn man sich des Lächelns nicht bewusst ist. In einem Versuch der Psychologinnen Tara Kraft und Sarah Pressman von der University of Kansas mussten Probanden mit den Lippen ein Essstäbchen festhalten und gleichzeitig Multitasking-Aufgaben am Computer lösen. Durch das Stäbchen im Mund verzogen die Teilnehmer automatisch ihre Gesichtsmuskeln wie bei einem Lächeln. Eine Kontrollgruppe absolvierte den Test ohne Stäbchen.

„Das Ergebnis zeigt, dass Lächeln auch dann unseren körperlichen Zustand beeinflusst, wenn wir gar nicht merken, dass wir lächeln“, fand Kraft heraus. Denn bei den Probanden, die die Essstäbchen im Mund hatten, war der Puls während der Multitasking-Aufgaben deutlich niedriger als bei der Kontrollgruppe. Auch der subjektiv empfundene Stress hatte sich durch das Verziehen der Gesichtsmuskeln verringert.

 

Immer nur lächeln?

Mein Klient war nicht der Typ, der den ganzen Tag grinsend wie ein Honigkuchenpferd durch sein Unternehmen laufen wollte. Darum ging es ihm auch gar nicht. Ihm ging es vielmehr darum, seiner schlechten Laune nicht „ausgeliefert“ zu sein. Im Coaching entwickelt er eine neue, generelle Haltung alltäglichen Situationen gegenüber: Wie reagiere ich auf Stress? Wie gehe ich mit Rückschlägen um? Welchen Tonfall schlage ich an? Welche eine kleine Sache kann ich an jedem Tag anders machen als bisher? Er spürte – mit einer positiven Grundhaltung geht das motivierte und produktive Arbeiten leichter von der Hand. Mit seiner Entscheidung für eine positive Haltung bekam er zudem schon nach kurzer Zeit positives Feedback von seinen Mitarbeitern.

Im Feedback schrieb er mir seinen Tipp: „Ich lächle jetzt einfach öfter – beim Autofahren, beim Fahrradfahren, beim Spazieren. Anfangs fühlte es sich merkwürdig an, mit der Zeit ist es zur Gewohnheit geworden. So habe ich nicht nur an positiver Ausstrahlung gewonnen, sondern bin auch selbst besser drauf. DANKE!“

 

 

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