6 Schritte wie Transformation gelingt - Teil 1 der Blogserie über Change-Erfolg

„Was ist der Schlüssel zum Change-Erfolg? Wie gelingt es uns, den geplanten Transformationsprozess erfolgreich zu durchlaufen“, will mein Klient Johannes M., CEO eines Familienunternehmens aus der Immobilienbranche, von mir wissen. „Wieso gelingt dem einen Unternehmen Change und dem anderen nicht?“ „Heute, so der Coachee weiter – möchte ich Ihnen in erster Linie zuhören. Ich schätze Ihre Philosophie und Ihr strategisches Wissen. Ich weiß, Fragen führen aber können Sie mir heute mal quasi eine Vorlesung geben und meine Frage beantworten, statt mir welche zu stellen?“

Wow – was für ein cooler Einstieg in einen Intensivtag. Wir hatten acht Stunden. Also war ich mir sicher, dass ausreichend Zeit sein würde für meine und seine weiterführenden Fragen. Nach dem Intensivtag beschloss ich, meine Blogartikelleser in den nächsten Monaten mit auf die Reise zu nehmen. Hier ist also die erste Etappe – Zuhören – mein Klient hörte mir zu.

Den Menschen, etwas Vertrautes zu nehmen ist schwer. Die Menschen lieben Beständigkeit, wir sind in unserem Innersten Bewahrer. Das macht den Change, die Transformation vielfach so schwer. Menschen sind aber auch „Herdentiere“ – sie schauen, was machen die anderen, also was lebt der Vorstand vor – wie verhalten sich die Führungskräfte etc. Hier 6 goldene Regeln fürs Gelingen und es gibt noch viel mehr!

 

  1. Der Fisch stinkt vom Kopf und deshalb ist der erste und meiner Erfahrung gleichzeitig entscheidende Schlüssel: Der Kopf = der Vorstand muss den Change authentisch verkörpern. Trommeln Sie alle Kollegen zusammen und wagen z. B. einen provokativen Pain-Point Workshop – Wo stinkt es bei uns?'
     
  2. Der zweite Schlüssel heißt Nachhaltigkeit. Die Führung muss sich darüber im Klaren sein, dass ein Transformationsprozess kein 100 Meter Lauf ist, sondern definitiv ein Marathon und möglicherweise sogar ein Ultra – das sind 100 km! Dazu gehört, dass für alle Vorstände klar ist: Mit diesem Unternehmen wollen wir die nächsten Jahre gestalten – wir sind nicht nur auf Abruf tätig und sagen dann „Nach mir die Sintflut“ – wir committen uns für den Transformationsprozess und stehen zu 100% dahinter. Dann beginnen auch die Mitarbeitenden, an den Erfolg zu glauben. Statt Lippenbekenntnissen geht es um authentisches und langfristiges Committment.
     
  3. Der dritte Schlüsselfaktor heißt: Mensch. Es geht darum, die Menschen mitzunehmen, und zwar wirklich. Laden Sie alle Mitarbeitenden ein, den Prozess mit ihren Ideen zu begleiten. Fragen Sie: Wo sind Eure Painpoints? Was meint Ihr – woran kranken wir? Was können wir besser machen? Sammeln Sie die Ideen – nicht als Pseudo-Spielchen an bunten Flipchartwänden mit aufwändigen Design-Thinking-Prozessen. Nichts gegen Design-Thinking. Das ist ein wertvolles Tool, wenn die Philosophie dahinter stimmt. Fatal sind Workshop-Tage, die Ringelpitz mit Anfassen machen – gruppendynamische Veranstaltungen bei denen gelbe Zettel ausgehängt werden, die anschließend nicht fotografiert werden dürfen. Es geht eben auch um Transparenz. Teilen Sie die Erkenntnisse mit dem ganzen Unternehmen. Hören Sie weiter zu, nehmen Sie die Menschen mit, gehen Sie in die Diskussion, halten Sie Diskurs aus, gegenhalten, hinterfragen: Warum geht es nicht? Wie geht es dann?
     
  4. Der vierte Schlüsselfaktor heißt Zuhören. Beispiel: Sie laden Mitarbeitende aus allen Unternehmensbereichen ein. Ohne eine „Vorgabe“. Wecken Sie Neugier, und schauen, wer/wie viele sich melden – das ist schon der erste Erkenntnisschritt! Die, die der Einladung folgen, dann ernstnehmen und auf ihre positive Multiplikatoren-Wirkung setzen. Vielleicht haben sich in der ersten Runde 80 Mitarbeitende gemeldet. Die setzen Sie dann z. B. an acht Tische – jeweils 10 Mitarbeitende – zufällig zusammengestellt. Jeder Tisch hat zur Aufgabe, die Sorgen und Nöte anzuhören – daraus Ideen zur Verbesserung zu entwickeln, Fragen rund um die Transformation zu stellen und zu beantworten, Dialog und Diskurs aktiv umzusetzen mit dem Ziel, zum Ende des Workshops die Ideen, Impulse, Bitten für den Transformationsprozess vorzustellen. Diese Ideen werden dann von einem Dialogteam geclustert und dem Vorstand – z. B. in einer öffentlichen Online-Session – präsentiert. Jetzt kennen Sie die Painpoints im Unternehmen. Daraus können Sie dann Leitsätze für Ihr Unternehmen entwickeln – 10 Imperative, die aufzeigen, wie Sie sich als Unternehmen für die Zukunft aufstellen – im Bereich Führung, Nachhaltigkeit etc.
     
  5. Im fünften Schritt geht es um Accountability. Es ist entscheidend, Verantwortung zu übernehmen und die entwickelten Inhalte nutzbar zu machen. Es geht ums konkrete Umsetzen. Um Accountability zu erreichen und die Nachhaltigkeit zu sichern, ist es wichtig, die Vorstandsarbeit eng mit den Leitsätzen zu verknüpfen. Eine Umsetzungsidee ist, dass jeder Vorstand z. B. ein Sponsoring für drei Leitsätze übernimmt. Damit ist er gleichzeitig verantwortlich für den Erfolg dieser Leitsätze. „Ich (Vorstand) bin Sponsor dieses Themas und sorge dafür, dass es läuft.“ Dieses „es läuft“ ist natürlich leichter gesagt als getan. Im Transformationsprozess greife ich an diesem Punkt gerne wieder auf die Schwarmintelligenz im Unternehmen zurück. Gründen Sie Arbeitsgruppen, die sich für den Erfolg committen und die Accountability sicherstellen. Die Aufgabe: Was können wir mit den Erkenntnissen machen? Welche konkreten Umsetzungsstrategien entwickeln wir? Welche Quick wins gibt es? Was sind die Langläuferthemen? Wie z. B. Mitarbeitende und Führung. Führung ist ein Problem in vielen traditionellen, mittelständischen Unternehmen. Viele Mitarbeitende können nicht führen – führen „nach alter Väter Sitte“ noch über Angst und Druck. Jetzt geht es um die Frage: Wie wollen wir stattdessen führen? Hier ist es wichtig, dass Sie eine heterogene Arbeitsgruppe haben. Sie brauchen auch die Bremser, die Bewahrer, die häufig einen Großteil der Mitarbeitenden repräsentieren. Nur gemeinsam gelingt es, einen Weg hin zu besserer Führung zu finden. Als nächstes stehen die Fragen im Raum: Wie bringen Sie die Umsetzungsideen in die Mannschaft? Wie gelingt es, die neue Philosophie nachhaltig im Unternehmen zu verankern?  
     
  6. Und last but not (!) least brauchen Sie eine Strategie für die Totalverweigerer – einen Weg, wie Sie mit Menschen und ihrer Angst vor Veränderung umgehen. Da ist es u. a. wichtig, dass man die Mitarbeitenden befähigt, mit Kollegen und deren Widerstand umzugehen. Machen Sie z. B. deutlich, „wir erwarten nicht, dass du die ‚Bewahrer‘ bekehrst oder bekriegst – Du darfst weiter ein gutes kollegiales Verhältnis haben – wer nicht mitmachen will – das ist super schade und wir freuen uns, dass Du anders unterwegs bist. Wenn Du Hilfe brauchst, sind wir jederzeit da. Wenn du das Gefühl hast, dass es Probleme gibt, lass es uns wissen.“

 

Das Kaffeeautomaten-Desaster

Geld wirkt nur, wo es Mittel zum Zweck ist – es ist nicht das alleinseligmachende! Das zeigt ein Beispiel, das – bevor wir gemeinsam den Transformationsprozess entwickelt haben – einem meiner Kunden „passiert“ ist: Der größte Rohrkrepierer im Bemühen „den Mitarbeitenden etwas Gutes zu tun“ war die Anschaffung neuer, sehr hochwertiger Kaffeeautomaten. Nach einer Beschwerde, es würde nichts für die Mitarbeitenden getan – es gäbe nicht mal Kaffeeautomaten wurden teure Geräte aufgestellt und fünf Flure weiß gestrichen. Dafür wurde der Vorstand ausgelacht. Der wiederum hat erstmal die Welt nicht mehr verstanden: „Ihr wolltet doch Kaffeeautomaten!“ war die verärgerte Reaktion. Dabei war der Ruf nach Kaffeeautomaten ja nur ein pars pro toto.

 

 Transformation ist eine Haltung

Transformation ist eine Haltung, die vom Vorstand vorgelebt und von der gesamten Mannschaft getragen werden muss. Man muss es alles wollen. Wenn ich Transformation wirklich will, dann suche und finde ich genau die Möglichkeiten, dass ich sie auch bekomme. D. h., den Mitarbeitenden wirklich zuhören! Ihre Ängste ernst nehmen und authentisch vermitteln, dass Sie Verständnis haben. Transformation in der Chefetage entwickeln und den Rest der Mannschaft zur Umsetzung zu verdonnern – da ist das Scheitern programmiert. Entscheidend ist, möglichst viele Mitarbeitende zu bewegen, die Zukunft mitzugestalten – dann entwickelt sich eine Eigendynamik und der Erfolg stellt sich von selbst ein.

„Lassen Sie uns in den Kalender gucken – wann können wir mit dem Pain-Point-Workshop für den gesamten Vorstand beginnen,“ war die spontane Reaktion von Johannes M. Die Reise konnte starten. Ich bin gespannt und halte Sie auf dem Laufenden – versprochen!

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